Montag, 16. Juli 2012

Gefangen, gefesselt, gequält!

"Wie schmerzhaft ist es, in dem Äußeren ganz stark und frei zu sein, indessen man im Innern ganz schwach ist, wie ein Kind, ganz gelähmt, als wären uns alle Glieder gebunden."

[Heinrich von Kleist]


Die Ketten sind um mich gelegt. Jeden Tag werden sie enger. Sie ziehen mich in die Tiefe, gewähren mir keinen Zentimeter, mich zu bewegen.
Ich werde hinabgezogen. Immer weiter. Immer stärker reißen sie an mir.
Ich kann mich nicht festhalten. Meine Arme sind eng an meinen Körper gebunden. Gegen das Gewicht meiner Fesseln kann ich nicht gewinnen.
Meine Beine lassen sich nicht bewegen, auch hier starre Fußfesseln. Ich denke ans Gehen, ans Laufen, ans Rennen. Ich spüre, wie der Boden unter meinen Fußspitzen vorbeifliegt. Nur ganz kurz berühre ich ihn, nach weniger als einem Atemzug bin ich schon wieder in der Luft. Es ist wie fliegen. Es ist Bewegung. Es ist leben.
Ich lebe nicht. Ich kann mich nicht bewegen.
Nur in eine Richtung. In die Tiefe.

Ich sollte das nicht über mich ergehen lassen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist! Ich weiß, dass es mich umbringen wird.
Wenn ich erstmal auf dem Boden liege mit all dem Gewicht der Eisenfesseln, werde ich nie wieder aufstehen können.
Ich werde auf dem nackten Beton erfrieren.
Innerlich.

Denn andere werden die Kälte nicht spüren. Sie werden nur die angenehmen 23 Grad messen. Raumtemperatur. Und auch der Boden wird nicht aus Beton sein. Teppich.
Sie werden auch die Fesseln, die sich um meinen kompletten Körper wickeln, nicht entdecken.
Niemand war lange genug in dem Haus, das mein Gefängnis ist.
Niemand wurde Tag für Tag in engere Ketten gelegt.
Niemand war so lange Angriffsfläche für die eisige Kälte, an der ich erfriere werde.

Es sei denn ich schaffe es, die Fesseln zu lockern.
So weit, dass ich laufen kann. Den Boden spüren. Rennen. Freiheit.
Und schnell sein. Weg, nur weg.
Aus dem Haus, in das Wärme niemals Einzug finden wird.
Es ist so kalt hier, dass jeder sterben wird, der nicht rechtzeitig die Ketten löst.
Doch die ziehen sich Tag für Tag nur noch fester. 

Warum sollte ich schaffen, was so ausweglos erscheint?