Montag, 31. Dezember 2012

Auf ein Neues.

Das Jahr ist beendet. 366 Tage Leben geschafft. Durchgestanden. Überlebt.
Jeden Tag die Chance gehabt, etwas zu verändern, etwas zu erreichen, etwas zu schaffen. Wie viele Tage davon genutzt? Wie viele Tage haben mein Leben beeinflusst, haben mir etwas gegeben, etwas geschenkt, was geblieben ist? An wie vielen Abenden lag ich zufrieden im Bett - erfolgreich, glücklich mit mir selbst? An welchen Tagen habe ich Bekanntschaften gemacht, ohne die ich mir mein Leben heute nicht mehr vorstellen kann? In welchen Momenten sind alte Freunde das letzte Mal aufgetaucht, ohne dass ich mir über das Ende bewusst war?
Das Ende. Die Enden. Das Ende eines Jahres, eines Abschnittes in der Zeiteinteilung. Die Enden von Freundschaften, von Karrieren, von Ängsten und von Hoffnungen. Viele Enden von Wochen, von Tagen, von Monaten; von Treffen, von Telefonaten, von Nächten - allein und in Gesellschaft.
Und dann der Sonnenaufgang. Und nun das neue Jahr. Immer wieder Anfänge in den letzten 366 Tagen. Der Anfang des Jahres. Anfänge von Bekanntschaften, von Interessen, von Wiederentdeckungen, von Träumen und von ganz viel Leben. Viele Montage als Anfang von neuen Wochen mit neuen Plänen und neuen Erkenntnissen. Anfänge von Reisen in verschiedene Richtungen, zu verschiedenen Menschen, mit verschiedenen Wünschen. Anfänge von neuem Ehrgeiz und neuem Mut.
Das vorsichtige Lächeln in Richtung des Neubeginns. Die Tränen der Vergangenheit verblasst.
Und ein neues Jahr beginnt. Mit 365 Tagen und tausenden von Chancen. Ich freue mich darauf. Und bin gespannt, wo ich in einem Jahr stehen werde, wie viele Möglichkeiten ich ergriffen haben werde, wie viele Träume verwirklicht und wie viel Leben gelebt.

Sonntag, 30. Dezember 2012

Die Bahn kommt.

Ich stehe am Bahnhof und warte auf den Zug, in dem du sitzt. Noch liegt das Gleis verlassen vor mir, der Bahnsteig voll mit anderen Wartenden. Immer wieder die Blicke nach links, nach rechts. Das Lauschen nach dem Rauschen des Zuges, nach Ansagen der Einfahrt.
Viele tigern auf und ab. Vertreten sich die Beine, stehen nicht still. Es ist kalt an diesem Dezembertag, aber vielleicht ist auch die Aufregung, die freudige Erwartung Grund für die Bewegungen.
Plötzlich allgemeiner Stillstand. Ein Aufhorchen. Die Bahn wird angekündigt, vorsichtig solle man sein an der Bahnsteigkante. Zurücktreten solle man. Tut aber keiner. Alle beugen sich nach vorne, in der Hoffnung die Lichter des Zuges zu sehen, mit den Passagieren darin, die so sehnlich erwartet werden. Freunde, Partner, Eltern, wer auch immer. Wann auch immer sie das letzte Mal in die Arme geschlossen wurden.
Und dann fährt sie ein. Die Bahn, die Anreihung von Wagen. Mit Anreihungen von Menschen hinter den Fensterscheiben. Am Bahnsteig stehen sie nun still, blicken angestrengt auf die Scheiben. Versuchen, vertraute Gesichter zu erkennen, um ihnen entgegenzulaufen, sobald sie den Zug verlassen.
Die Türen öffnen sich; die Bewegung kehrt in all diejenigen zurück, die eben noch starr am Gleis standen. Ein Gewusel beginnt. Menschen strömen aus den Wagen, blicken sich orientierungslos um und suchen ihren Weg. Oder wählen sofort die richtige Richtung, als ihre Schuhsohlen den grauen Beton berühren. Sie laufen die Treppen hinauf, verlassen das Gleis, lassen die Bahn hinter sich. Verschwinden aus meinem Blickfeld.
Ich bin auf der Suche. So wie die anderen Wartenden. Die sich nun durch das Gedränge kämpfen, angestrengt in das Meer aus Koffern, Köpfen und Kinderwagen schauen, um ihre Boje, ihren Anker, ihr Schiff oder ihren Hafen zu erkennen.
Ich finde dich. Und plötzlich ist alles andere weg. Nur du und ich und wir gehen aufeinander zu. Beide mit einem Grinsen im Gesicht. Nichts mehr zwischen uns, nichts mehr neben uns, wir halten uns fest, versinken in unseren Armen. Und genießen unsere Ankunft.
Als wir wieder aufschauen, ist das Gleis fast leer. Der Zug abgefahren. Die Masse der Mitreisenden und Wartenden verschwunden. Nur vereinzelt stehen noch Pärchen, Grüppchen herum. Die sich in den Armen halten. Sich küssen. Kinder hochheben. Lachen. Miteinander reden.
Und wir fassen uns an den Händen, gehen gemeinsam die Treppe hinauf. Ein letzter Blick auf die letzten Ankunftszeremonien.

Bis ich hier wieder stehe. Menschen sich wieder in die Arme fallen. Menschen wieder warten.
Ich dich ein letztes Mal küsse und am Ende dem Zug nachblicke, als er den Bahnhof verlässt. Ich stecke meine Hände in die Jackentaschen und erklimme die Stufen alleine.

Sonntag, 23. Dezember 2012

Ich hasse.

Loslaufen. Schreien. Etwas schlagen. Treten. Auseinandernehmen.
Der Handlungsimpuls ist alles, was in mir ist. Alles, was ich spüre. Was eine Bedeutung für mich hat.
Wut breitet sich in mir aus und sucht ein Ventil zum Ablassen. Hass strömt durch meine Venen, auch wenn ich ihn nicht spüren will. Ich will ihn nicht spüren, ich will ihn rauslassen, auskotzen.

Ich konzentriere mich darauf, sitzen zu bleiben. Diesen Text zu schreiben. Meine Finger über die Tasten schweben zu lassen.
Und meine Hand nicht zu einer Faust werden zu lassen. Nichts damit zu schlagen. Niemanden damit zu verletzen. Nicht mich. Nicht andere.
Weitermachen, ruhig bleiben, auch wenn in mir alles kämpft, alles schreit, alles nach einem Ausweg aus dem engen Körper sucht.

Jeder Reiz von außen lässt das Gefühl noch verstärken. Lässt mein Inneres beben.
Jedes Zeichen von außen, das mir zeigt, dass ich nicht alleine bin. Dass der Hass einen Grund hat. Jede Aktion regt mich auf. Jede Aktion gibt mir Anlass zum Hassen. Zum Weglaufen. Zum Schreinen. Und zum Schlagen.
Alles schlagen. Alles zerstören.
Weil ich alles hasse. Was ich nicht hassen will.

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Zehn wichtigste Ereignisse.

Die zehn wichtigsten Ereignisse meines Lebens. Ich soll sie aufschreiben, mit Datum versehen.
Wann ist das passiert?
Wann ist was passiert, was wichtig war?

Ich denke lange darüber nach. Mir fällt gar nichts ein und alles. Ich muss definieren: Was heißt "wichtig"? Was hat mich beeinflusst und warum? Hat es mein Leben verändert? Muss etwas Wichtiges mein Leben verändern? Oder kann es auch den Moment erhellen?

Ich lasse mein Leben Revue passieren. Denke über die Jahre nach, die vergangen sind. Über Leben, das ich gelebt habe. Freunde, die ich getroffen habe. Verloren habe. Geliebt habe. Menschen, die mich begleitet haben.
Entscheidungen, die ich getroffen, bereut und über die ich mich gefreut habe. 
Erkenntnisse, die gekommen, gegangen und geblieben sind.
Die Errungenschaften meines Lebens. Die großen und die kleinen. 

Der Tag, an dem ich lesen und schreiben gelernt habe - vor der ersten Klasse.
Der Tag, an dem ich in der 6. Klasse jemanden gefragt habe, ob sie nicht neben mir sitzen will. Sie hat mich später aufgebaut, gerettet und ihr Leben mit mir geteilt.
Der Tag, an dem ich mutig war und das Mädchen geküsst habe, in das ich mich verliebt habe.
Der Tag, an dem ich im Internet unterwegs war und gemerkt habe, wo mein Weg langgeht.
Der Tag, an dem mein kleiner Bruder geboren wurde. Auch wenn ich davon wenig mitbekommen habe.


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Montag, 17. Dezember 2012

Spiegelbilder.

Ich blicke auf die Person mir gegenüber. Schaue in meine braunen Augen. Lächle mich an. Ich lächle zurück.
Mein Blick wandert über meinen Körper. Von meinen Haaren - an den Seiten kurz, oben aufgestellt und hochgegelt - über meinen flachen Bauch bis zu meinen Schuhen - Chucks, ausgetreten.
Ich lächle wieder, schaue mir in die Augen. Gut sieht er aus, der junge Mann mir gegenüber. Ich gefalle mir.
Ein paar Minuten bleibe ich noch stehen. Betrachte mich. Drehe mich, sehe mich aus verschiedenen Perspektiven an. Nicke mir zu und studiere meinen Körper. Achte auf die Details. Die Augenbrauen, die dunkel und glatt in meinem Gesicht liegen, und die Knochen der Knie, die sich unter der engen Hose abzeichnen.
Daumen hoch, zeige ich mir selbst.
Und trete ein paar Schritte zurück von der weißen Wand, vor der ich stehe.

Ich brauche keinen Spiegel, um mich zu sehen. Ich kenne mich und ich weiß, wie ich aussehe. Zumindest, wie ich mich sehe.
Was ich erkennen würde vor einer Fensterfront oder einem Spiegel, ist was andere in mir sehen. Wie ich auf andere wirke. Die Wirklichkeit, für sie.
Vielleicht mit großem Unterschied zu meiner Realität, vielleicht auch nicht.

Sonntag, 16. Dezember 2012

Neue Zeiten.

Die Zeit vergeht. Unaufhaltsam.

Ich merke es am Abreißkalender auf meinem Schreibtisch, der immer dünner und dünner wird. Der Mülleimer wird mit den durchnummerierten Zettelchen immer voller und voller. Er bläht sich auf, wird dicker und dicker.
So wie Menschen um mich herum. Die dicker und dicker, dünner und dünner werden. Veränderung, Verwandlung. Neue Frisuren, neue Klamotten, weniger Lächeln, mehr Freude. Einige sind nicht mehr zu sehen, andere aus dem Nichts aufgetaucht. Haben sich in mein Leben geschlichen und einen festen Platz eingenommen.
Kinder sind gewachsen, Jugendliche in die Pubertät gekommen. Sie entwickeln sich.
Großeltern sind gestorben, Väter in Krankenhäuser eingeliefert worden. Sie verlassen uns.
Ich merke es an Tablettenpackungen, die täglich leerer werden. So viel Chemie in mich aufgenommen, so viel Leben künstlich gelebt.
An Jahresrückblicken im Fernsehen, obwohl noch Tage übrig sind im Jahr. Tage, an denen einiges passieren kann. Passieren wird.
An immer längeren Nächten und immer kürzeren Tagen. Es ist schon fast dunkel, wenn ich es schaffe aufzustehen. Von der Helligkeit bekomme ich kaum etwas mit, sie existiert hauptsächlich in Sonnenkalendern, die jede Bewegung des Himmelskörpers auf die Minute genau prophezeien. Immer näher rücken Auf- und Untergang zusammen. Die Zeit dazwischen wird immer geringer, immer nichtiger.
Generell wird alles nichtig, was nicht mit Weihnachten zu tun hat. Alles arbeitet auf das Fest hin. Jeder Adventskalender, der immer leichter wird, jeder Adventskranz, der immer heller wird.

Die Zeit vergeht. Offensichtlich.
Aber jeder Tag ist derselbe. Für mich.

Freitag, 14. Dezember 2012

Tausende von Wegen.

Der Weg ist gerade und gut ausgebaut. Locker lässt es sich auf ihm laufen. Keine Schwierigkeiten.
Und dann taucht plötzlich, ganz unvermittelt, eine Weggabelung vor dir auf. Rechts und links. Keine Wegweiser, keine Zeichen, keine Fußspuren. Kein Weg, der heller scheint, keiner benutzter, keiner zielführender.
Beide sind da. Du kannst nur einen gehen.

Bleibst du lange stehen und denkst nach?
Entscheidest du spontan, intuitiv?
Wirfst du eine Münze, lässt das Schicksal, den Zufall, Gott die Wahl treffen?

Wenn du deinen Weg genommen hast, zweifelst du?
Bist du unsicher, die richtige Wahl getroffen zu haben?
Läufst du zurück und versuchst, die Entscheidung erneut zu überdenken?

Musst du kämpfen auf deinem Weg? 
Versuchen dich andere zurückzudrängen, umzustimmen?
Oder helfen sie dir, sind für dich da, stimmen deiner Wahl zu?

Und am Ende:
Denkst du, du hast die richtige Entscheidung getroffen?
Oder würdest du alles anders machen? Wenn du könntest.

Welchen Weg auch immer du nimmst, es ist der richtige. Weil er in dem Moment zu deinem wird.
Und auch wenn du zweifelst. Auch wenn du ganz alleine gehst. Auch wenn dein Weg ein Trampelpfad ist, durch den du dich kämpfen musst. 
Du hast entschieden.


"Es gibt tausende von Wegen und einen davon gehe ich.
Es gibt Millionen verschiedener Pfade, doch nur einen Besonderen für mich."

[Mein Mio]

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Erinnerungen der alten Orte.

Ich laufe durch die Stadt und besuche alte Orte. Orte, die für mich alt geworden sind. Die in Vergessenheit geraten sind.
Es sind nicht die großartigen Plätze. Keine Spannung steht dahinter. Keine Besonderheit.
Es sei denn, man war schon einmal da. Es sei denn, man verbindet etwas mit diesen Orten. Es sei denn, man erinnert sich.
Ich will mich erinnern.

Und deswegen suche ich sie auf. Finde Andenken in Belanglosigkeiten.
Im Supermarkt, in dem ich mit alten Freunden war, denke ich an vergessene Worte und verdrängte Gefühle. Ich stehe vor den Regalen und erinnere mich daran, wie wir überlegt haben, welches Gewürz wir kaufen sollten. Das billige oder das teure. Wie wir Zutaten für unser Menü in den Wagen gepackt haben, die Liste ordentlich abgearbeitet und trotzdem später noch einmal loslaufen mussten. Wie uns gesagt wurde, wir sollen uns doch ein Eis kaufen, und das vergessen haben. Wir sind noch einmal zurück in den Laden, es war dir unangenehm. Es war dir auch unangenehm, mit Menschen zu reden; ich habe an der Kasse bezahlt, ohne nachzufragen.
Und ich fahre die Buslinie ab, die wir früher so oft benutzt haben. Um in die Stadt zu kommen, zum Rumlaufen, zum Beinevertreten, zum Einkaufen. Und danach wieder zurück. Ich blicke aus dem Fenster und erinnere mich an Gespräche, die wir genau hier geführt haben, Menschen, denen wir genau hier begegnet sind. Ich denke daran, wie unsicher du beim Ticketkauf warst, wie du dir nicht merken konntest, was du sagen solltest. Und wie du nach mir einfach gesagt hast: "Ja, dahin will ich auch. Oder?!" Wie glücklich wir waren, dem Alltag zu entkommen und allein für uns zu sein. Wie schön unsere Ausflüge waren.
Ich setze mich in das kleine Café, in dem wir saßen und Kakao getrunken haben. Den du ausgegeben hast, weil du noch einen Gutschein hattest. Wie wir zu spät zum Treffpunkt kamen, weil wir vorher so lange in der Schlange standen. Und weil wir vorher so lange genau dieses Café gesucht haben. Wie wir uns Ausreden überlegt haben, die wir am Ende doch nicht brauchten. Keiner hat danach gefragt.
Der kleine Laden, in dem wir unsere Zeit verbracht haben, wenn es draußen zu kalt war, erinnert mich an Späße, die wir gemacht haben. Ich stehe vor den lustigen Dingen, die wir uns angeschaut haben. Vor den Dingen, die wir uns gewünscht haben. Und vor denen, die wir gekauft haben. Ich schaue mir die Poster noch einmal an, die wir zusammen durchgeblättert haben, und höre unsere Worte in meinem Ohr.

Als ich mich am Ende des Tages in die Bahn setze und nach Hause fahre, denke ich an die Momente, in denen ich genau diesen Weg angetreten bin. Mit genau demselben Ziel wie heute. Nur dass ich immer wieder zurückgekehrt bin. Bis auf einmal - das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe. Das Ende meiner Zeit mit dir, mit euch. Das Ende der alten Zeit.
Ich blicke aus dem Fenster und fange fast an zu weinen. Im letzten Moment wandeln sich die aufkommenden Tränen in ein Lächeln.
Ich danke dir für diesen wunderschönen Tag. Auch wenn du nicht dabei warst.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Kopf hoch.

Kopf hoch und das wird schon.
Ist alles, was du sagst. Alles, was ich nicht hören will.
Weil mein Kopf nicht unten ist. Weil ich nicht einsehen will, dass er unten ist.
Und weil es mir egal ist, ob es wieder wird oder nicht. Weil der Moment dadurch nicht vergeht. Weil es mir jetzt trotzdem schlecht geht. Weil ich nicht immer glauben kann, dass es wieder wird.

Ich weiß es ja.
Ich weiß, dass du es gut meinst. Dass du mir helfen willst. Dass du für mich da bist.
Und ich weiß, dass es wieder werden wird. Was auch immer es ist, es wird wieder werden. Natürlich wird es werden. In welche Richtung auch immer, aber es wird sich ändern.
Nur ist das kaum von Bedeutung. Für mich. Für jetzt.
Wer denkt schon darüber nach, dass er fallen wird, wenn er ganz oben steht? Weil alles vergeht.
Warum sollte ich darüber nachdenken, dass ich wieder aufstehen werde, wenn ich ganz unten bin?
Ich will hier einfach sein dürfen. Will liegenbleiben und nicht aufstehen müssen. Will nicht, dass du mich aufforderst, meinen Kopf zu heben.

Lass mich doch ruhig hier unten. Für den Moment. Sag mir einfach, dass es ok ist. Ok für mich. Und ok für dich. Dass ich dir auch wichtig bin, wenn mein Kopf mal nicht oben ist.
Und behalt für dich, dass es wird.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Smileys.

Ich betrachte die lächelnden Smileys, die ich dir schicke. Sie sehen so fröhlich aus. So echt glücklich. Ich wundere mich darüber. Wie kann ich mit zwei Tasten ausdrücken, was mir real nicht gelingt?
Ich versuche, die Strich-Gesichter nachzumachen. Versuche, meine Mundwinkel nach oben zu ziehen. Es klappt nicht.
Es klappt nicht und trotzdem wirkt das Lächeln, das ich verschicke, echt. Real. So wie an jedem anderen Tag. Ich frage mich, warum das funktioniert. Warum das so einfach funktioniert und sich keine Träne einschleicht.
So wie es in meinem Gesicht passiert. Dem, das nicht aus Satzzeichen besteht. Dem, das am Lächeln scheitert und stattdessen weint.
Ich verzweifle daran. Ich fühle mich überfordert. Überfordert mit meiner eigenen Mimik, meinem eigenen Körper, mir selbst. Und all dem, was erwartet wird.

Ich denke an alles, was ich noch zu tun habe. An die vielen unerfüllten Punkte auf der Liste. An die Fristen, die meinen Kopf bevölkern und mit jedem Tag näher kommen. Die Pflichten, die immer dringender werden. Die ich immer weniger erfülle.

Aus den Gedanken werden trockene Tränen und stille Schreie. Die ich ausstoße und die niemand hört, niemand hören kann.
Weil alles, was daraus wird, lächelnde Smileys sind. So falsche lächelnde Smileys. An ganz der falschen Stelle :)

Samstag, 8. Dezember 2012

Einer gegen alle.

Schulschluss und ich will nur noch nach Hause.
An den Fahrradständern haben sich kleinere Jungs breitgemacht - Fünft-, vielleicht auch schon Sechstklässler. Sie lachen. Einer schleppt ein Fahrrad ein paar Meter weit. Er lacht auch.
Ein anderer stößt ein Rad um, tritt dagegen. Lachend.

Ich gehe daran vorbei und weiß, mein Fahrrad lag früher auch oft in den Büschen, war umgestoßen oder umgestellt. Irgendjemand lachte darüber, ich suchte schweigend. Und wurde meistens fündig.

Ein Klassenkamerad stößt zu den anderen.
"Hey, das ist doof!", höre ich ihn rufen. "Warum machst du das? Du willst doch auch nicht, dass andere sowas mit deinem Fahrrad machen!"
Ich blicke auf, lächle den Jungen an. Was für ein Mut, sich gegen die Gruppe zu stellen! Und wie Recht er hat.
Fast erwarte ich schon, dass die anderen ihn auslachen, ihn niedermachen und ihn als Feigling darstellen würden. Wie sollte es auch anders sein. Bei einer gegen alle. Selten ist es leichter, zu gewinnen. Selten ist es ungerechter.
Doch niemand meckert. Es wird still in der Gruppe. Der Angesprochene scheint Einsicht zu zeigen. Er trägt das Rad zurück an seinen Platz. Die umgeschubsten werden wieder aufgerichtet.
Keiner lacht mehr, sie schweigen.

Ich gehe lächelnd weiter. Was muss der kleine Fünftklässler - der kleinste von allen - für einen Standpunkt haben, wie respektvoll geht die Gruppe mit ihm um!
Und er hat gewonnen. Einer gegen alle. Ganz selbstverständlich. Weil er ja Recht hat. Weil er ja Gutes tut.

Und ich frage mich, was ihn zu einem so Großen macht. Oder ob das vielleicht jeder könnte, der den Mut hat, seine Stimme zu erheben.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Weil sie so ist.

Sie freut sich über den ersten Schnee, auch wenn er nicht liegenbleibt. Läuft nach draußen, wenn sie eine etwas dickere Flocke vom Himmel fallen sieht.
In ihrem Kakao ist mehr Pulver als Milch. Sie isst ihn mehr, als dass sie ihn trinken würde.
Sie geht mit ihren Freunden ins Kino, auch wenn ihr der Film nicht gefällt. Damit niemand allein sein muss.
"Arschloch <3"  und "Dooffisch <3" sind ihre größten Komplimente.
Am liebsten hätte sie jeden meiner Pullis und alle meine Jacken. Sie leiht sie sich aus, riecht tagelang daran und redet davon, mir meine Klamotten niemals wiederzugeben.
"Glaubst du, ob man beim Telefonieren eine Rolle machen kann? Meinst du, man macht dabei voll das coole Geräusch?", fragt sie mich am Telefon.
Man kann mit ihr über alles reden, weil sie alles versteht, aber nicht alles verstehen muss. Weil sie Unfug liebt und auch ernste Gespräche immer mitmacht.
Ihr Smiley-Wortschatz ist riesig. Von vielen weiß sie selbst nicht, was sie bedeuten. Hauptsache, sie sehen süß aus.
Sie versucht, mir meine Haare zu machen. Und schmiert das Haarwachs dann doch lieber als Kriegsbemalung in mein Gesicht.

Sie sagt, sie wünscht sich, richtig süß zu sein. Und merkt dabei nicht, wie süß der Wunsch allein ist. Und wie viele Gründe es für ihre Süßheit sonst noch gibt.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Mein Nebel.

Es ist grau. Und alles verschwindet in einer nebligen Wand. Alle Gegenstände sind nur noch Konturen, Schatten - ungreifbar und undeutlich.
Es ist kalt, trist - leblos.
Bäume und Büsche stehen als Skelette in den Gärten, die Blätter und mit ihnen die Farben des Lebens sind abgeworfen. Weggefegt und in Mülltonnen verschwunden.
Doch auch die Ordnung der Stadt geht unter in der grauen Masse.

Es ist, als hätte sich die Natur auch in meinen Kopf geschlichen.
Da ist nur Nebel in mir, nichts Festes, nichts Greifbares, nichts zu erkennen.
Ich kann keine klaren Gedanken fassen, weil alles sofort hinter den grauen Schleiern verschwindet und sich im Nichts auflöst.

Ich hoffe, der Frühling in mir wird schneller kommen als der der Welt.

Montag, 3. Dezember 2012

Alleinsam.

Ich sitze auf meinem Bett und schaue ins Dunkel um mich herum.
In allen Richtungen sehe ich helle Streifen: vor der Tür, hinter dem Vorhang.
Ich wünschte, sie würden verschwinden.
Ich wünschte, die Dunkelheit wäre vollkommen.

Um das Gefühl zu haben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein - ganz allein.

Denn so hätte diese Einsamkeit in mir einen Grund.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Schneeflöckchen, Weißröckchen.

"Snowflake, snowflake, little snowflake,
Little snowflake falling from the sky.
Snowflake, snowflake, little snowflake,
Falling, falling, falling, falling, falling,
Falling, falling, falling, falling ... falling on my head."

[Little Snowflake]


Es schneit. Weiße Flocken fallen vom Himmel und bedecken den Boden mit einer glitzernden Schicht. Überall glänzt es verzaubert, die Bäume und Büsche legen sich schlafen unter der dicken Schneedecke.

Zumindest scheint es so, als würde das im Kopf des kleinen Mädchens vorgehen, das im roten Schneeanzug vor meinem Fenster herläuft.
In der Realität ist alles, was vom Himmel fällt, matschiger Schneeregen, der nur an den wenigsten Stellen liegenbleibt. Auf Bäumen und kleinen Grasflächen.
Das Mädchen stört sich wenig daran. Der erste Schnee im Jahr; egal ob meterhoch oder kaum zu erkennen.
Sie fängt die nassen Flocken mit den behandschuhten Händen auf und läuft von Schneefeld zu Schneefeld. Überall beugt sie sich hinunter und streichelt liebevoll über den weißen Matsch.

Sie sieht verloren aus, wie sie durch die Nässe läuft. So verloren wie der Schnee, der gegen den noch zu warmen Erdboden verliert.

Ich sitze lächelnd vorm Fenster, höre Kinderlieder und freue mich auf den ersten großen Schnee. Nicht weil es mir so sehr gefallen würde, sondern weil ich es genieße, den Nachbarskindern beim Schneemannbauen und Schlittenfahren zuzusehen.





Samstag, 1. Dezember 2012

Weihnachtsmänner mit Kinderaugen.

Vor 10 Jahren bin ich extra früh aufgestanden. Habe mir den Wecker gestellt und schon tagelang gierig gewartet. Mich darauf gefreut, das Geheimnis zu lüften und zu sehen, was hinter dem Türchen auf mich wartet.
Eine Schokoladen-Lokomotive oder vielleicht ein Schokoladen-Engel? Was wohl besser schmecken würde, das Auto oder der Weihnachtsmann?

Ich habe meine Wunschliste per Hand geschrieben. Kaum leserlich, aber die wichtigsten Dinge waren fett unterstrichen und farbig markiert.
Als Anlage lagen die aktuellen Playmobil- und Lego-Kataloge dabei. Mit einem Kreuzchen versehen alle Artikel, die der Liste noch hinzugefügt werden sollten. Es waren fast mehr Kreuze als Artikel.

Ich habe dem Tag entgegengefiebert, an dem wir endlich einen Tannenbaum kaufen würden. Ich war vorne mit dabei, wenn es ums Aussuchen ging. Den schönsten, den grünsten, den größten. Dass er nicht ins Wohnzimmer passen würde, störte mich nicht. Man könne doch ein Loch in die Decke sägen.
Über der Ecke des Raums befand sich mein Kinderzimmer, ich hätte die Spitze mit dem Stern bei mir im Bett gehabt. Die Argumente dagegen habe ich jahrelang nicht verstanden. Ich hätte doch aufgepasst, als wenn ich durch das Loch gefallen wäre?! Ich hätte Absperrband genommen, damit auch meine Freunde beim Spielen nicht im Wohnzimmer landen würden. Und im nächsten Jahr könnten wir den nächsten Baum hindurchstecken. Am besten einen noch größeren.
Am Ende wurde die Tanne unten abgesägt und passte haargenau in den Raum.

Ich wollte Kerzen anzünden, Kränze schmücken und das Haus dekorieren. Überall verteilte ich meine Kugeln, Weihnachtsmänner und Tannennadeln. Niemand durfte sie anrühren oder umsetzen, mein Konzept war durchgeplant und sinnig. Kein Figürchen stand alleine; sie sollten nicht einsam sein in der Weihnachtszeit. Grüppchenweise belagerten sie alle Zimmer des Hauses.

Tagelang lief ich mit Schoko-Mund durchs Haus. Allen Weihnachtsmännern und Nikoläusen wurde der Kopf abgebissen, die Körper sammelten sich unangetastet.

Heute freue ich mich alleine auf Weihnachten. Und vermisse den kleinen Jungen, der fröhlich gute Laune verbreitet.