Freitag, 25. Juli 2014

Troika der Nacht.

Zu wem der Nachrichtensprecher wohl nachts noch spricht, wenn er eine Gute Nacht wünscht? Wie viele ihm da noch lauschen? Wie viele schlaflose Ohren sich lieber die Sorgen der Welt anhören und dem ganz großen Terror folgen, als sich in eigenen Albträumen zu wälzen. Wie viele schauen sich die quälenden Bilder des Krieges an, wie viele betrachten weinende Gesichter und still brennende Gedenkkerzen, anzugtragende Politiker, die sich gegenseitig schuldig sprechen. Wie schlimm muss der Film im eigenen Kopf sein, um ihn gegen solche Meldungen einzutauschen?

Wie ein Positionslicht in der dunklen Nacht leuchtet in strahlendem Gelb das Fenster auf der anderen Straßenseite. Was hinter diesem Viereck aus Licht wohl gerade so geschieht? Wer da wohl wohnt und warum er wohl die Nacht zum Tage macht?
Vielleicht lassen die Gedanken in seinem Kopf ihn nicht schlafen. Vielleicht kommt er gerade von der Arbeit oder muss so früh schon zur Schicht. Vielleicht genießt er die Einsamkeit und die Ruhe der Nacht. Vielleicht schläft er auch mit Licht, damit seine Dämonen von ihm fernbleiben. Oder er telefoniert mit einem Freund vom anderen Ende der Welt. Ob er auch auf mein erleuchtetes Zimmer schaut und einen Verbündeten erkennt? Ob er derjenige ist, an den der Nachrichtensprecher seine Worte und Bilder richtet?
Vielleicht spricht der sogar nur zu uns beiden. Vielleicht sind wir zwei die einzigen, die in der dunklen Nacht in diesem Moment diesen Sender schauen. Wir sitzen zu zweit im Publikum. Wir blicken beide nach vorne. Die Ränge der Zuschauer liegen im Dunkeln, deshalb betrachten wir einander nicht. Wir wissen nicht einmal über den anderen Bescheid. Wir wissen überhaupt nicht, dass all die Stühle unbesetzt sind. Wir wissen nicht, dass wir in diesem Moment für uns alleine sind. Wir drei. Der Nachrichtensprecher. Mein unbekannter Nachbar. Und ich. Wir kennen uns nicht. Und sind doch ein Team in dieser Welt, ein Terzett der Nacht, eine Troika in der Dunkelheit.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Sommerzeit, Regenzeit.

Die Sonne strahlt vom Himmel, der blau und blau und nur blau ist. Kein graues Wölkchen ist zu sehen, kein Tupfer weißer Farbe auf hellblauer Pappe. Es ist heiß. Menschen schwitzen und sonnen sich, baden und lachen und freuen sich. Alle laufen in kurzen Hosen umher, tragen Kleider, Shorts und weite Tunikas. So ein glücklicher Sommertag.
Das Wasser kräuselt sich sanft im lauen Wind, es glitzert und funkelt in so magischen Farben. Und davor das strahlende Grün der Bäume und des Rasens als Kontrast. Doch der Grünton des Grases schimmert nur vereinzelt durch das Meer aus Tüchern, Decken und liegenden Körpern. Es ist, als hätte sich die ganze Stadt auf der Wiese ausgebreitet. Alle entspannen sie gemeinsam im großen Garten inmitten der asphaltierten grauen Metropole. Viele unterhalten sich, leise und für sich. Einige spielen mit ihren Kindern und Freunden, lachen und genießen. Viele sind in Pärchen und Grüppchen angereist, einige liegen auch alleine auf ihrem Fleckchen. Sie spielen am Handy. Schlafen. Beobachten. Oder lesen.
Ich lese auch.

"Wenige Minuten nach ein Uhr morgens fiel unerwartet starker Regen. Kein Donner ging der Sintflut voraus und kein Wind. So jäh und so heftig war der Guss, dass er sich ins Bewusstsein drängte wie das unheilvolle Unwetter in einem Traum. [...]
Die unzähligen Stimmen des Wolkenbruchs klangen wie eine wütende Menschenmenge, die in einer vergessenen Sprache Parolen brüllt. Die Wassermassen hämmerten an die Zedernverschalung und die Dachschindeln, als wollten sie sich Eingang verschaffen."

[aus Dean Koontz - Todesregen]

Montag, 21. Juli 2014

Schwankend.

Es ist nur ein Wimpernschlag zwischen Freude und Trauer. Nur ein einziges Tick des Sekundenzeigers zwischen alles wird gut und ich kann nicht mehr. Es ist nur ein Augenblick vom Aufspringen zum Fall. Nur ein klitzekleiner Spalt zwischen lebendig und taub.
Von froh zu traurig zu wütend zu stolz zu schwach zu stark zu ängstlich zu hoffnungsvoll zu einsam zu glücklich zu leer zu froh zu tot. Zickzackkurs. Karussellfahrt ohne Ende ohne Runde ohne Start.
Meine Welt schwankt von Nord zu Süd ohne Kompass und ohne Plan. Mein Leben schwankt vor und zurück und ich mittendrin. Ich schwanke und wanke hin und her. Alles wankt. Meine Stimmung schwankt.

Montag, 14. Juli 2014

Mein Leben in WMs.

2002: 
Die erste Weltmeisterschaft, an die ich Erinnerungen habe. Ein Spielplatz, ein Radio, das Finale: Kinder, die kaum Interesse am Spiel zeigen, Eltern, die mitfiebern, hoffen, bangen, ein Gegentor, am Ende wird das Radio ganz schnell ausgestellt.

2006: 
Ein Bolzplatz, Freunde, ein Ball. Wie wir selber den Idolen nacheifern, während wir uns ordentlich im Dreck wälzen, Flanken schlagen, Tore schießen, und dann ganz plötzlich Aufbruchsstimmung und ein gemeinsames Nach-Hause-Rennen, um es noch rechtzeitig zum Spiel vor den Fernseher zu schaffen. Beim Aus im Halbfinale fließen die Tränen.

2010:
Ein Spielplan, den ich vorsichtig von meiner Wand abtrenne, ist die einzige Erinnerung, die ich an diese WM noch habe, die ersten Ergebnisse sind schon eingetragen, dann ganz plötzlich der Umzug, im neuen Zimmer hängt zunächst nur dieses eine Poster, doch am Ende bleiben viele Felder unausgefüllt. Auf einmal gibt es Wichtigeres als Fußball.

2014:
Welche Momente mögen wohl von diesem Turnier im Gedächtnis bleiben? Public Viewing im strömenden Regen? Autokorsos? Bier?
Was wohl in vier Jahren die Szenen sein werden, die ich als Schnipsel der Erinnerung an diese Zeit abspeichern werde?