Montag, 31. Dezember 2012

Auf ein Neues.

Das Jahr ist beendet. 366 Tage Leben geschafft. Durchgestanden. Überlebt.
Jeden Tag die Chance gehabt, etwas zu verändern, etwas zu erreichen, etwas zu schaffen. Wie viele Tage davon genutzt? Wie viele Tage haben mein Leben beeinflusst, haben mir etwas gegeben, etwas geschenkt, was geblieben ist? An wie vielen Abenden lag ich zufrieden im Bett - erfolgreich, glücklich mit mir selbst? An welchen Tagen habe ich Bekanntschaften gemacht, ohne die ich mir mein Leben heute nicht mehr vorstellen kann? In welchen Momenten sind alte Freunde das letzte Mal aufgetaucht, ohne dass ich mir über das Ende bewusst war?
Das Ende. Die Enden. Das Ende eines Jahres, eines Abschnittes in der Zeiteinteilung. Die Enden von Freundschaften, von Karrieren, von Ängsten und von Hoffnungen. Viele Enden von Wochen, von Tagen, von Monaten; von Treffen, von Telefonaten, von Nächten - allein und in Gesellschaft.
Und dann der Sonnenaufgang. Und nun das neue Jahr. Immer wieder Anfänge in den letzten 366 Tagen. Der Anfang des Jahres. Anfänge von Bekanntschaften, von Interessen, von Wiederentdeckungen, von Träumen und von ganz viel Leben. Viele Montage als Anfang von neuen Wochen mit neuen Plänen und neuen Erkenntnissen. Anfänge von Reisen in verschiedene Richtungen, zu verschiedenen Menschen, mit verschiedenen Wünschen. Anfänge von neuem Ehrgeiz und neuem Mut.
Das vorsichtige Lächeln in Richtung des Neubeginns. Die Tränen der Vergangenheit verblasst.
Und ein neues Jahr beginnt. Mit 365 Tagen und tausenden von Chancen. Ich freue mich darauf. Und bin gespannt, wo ich in einem Jahr stehen werde, wie viele Möglichkeiten ich ergriffen haben werde, wie viele Träume verwirklicht und wie viel Leben gelebt.

Sonntag, 30. Dezember 2012

Die Bahn kommt.

Ich stehe am Bahnhof und warte auf den Zug, in dem du sitzt. Noch liegt das Gleis verlassen vor mir, der Bahnsteig voll mit anderen Wartenden. Immer wieder die Blicke nach links, nach rechts. Das Lauschen nach dem Rauschen des Zuges, nach Ansagen der Einfahrt.
Viele tigern auf und ab. Vertreten sich die Beine, stehen nicht still. Es ist kalt an diesem Dezembertag, aber vielleicht ist auch die Aufregung, die freudige Erwartung Grund für die Bewegungen.
Plötzlich allgemeiner Stillstand. Ein Aufhorchen. Die Bahn wird angekündigt, vorsichtig solle man sein an der Bahnsteigkante. Zurücktreten solle man. Tut aber keiner. Alle beugen sich nach vorne, in der Hoffnung die Lichter des Zuges zu sehen, mit den Passagieren darin, die so sehnlich erwartet werden. Freunde, Partner, Eltern, wer auch immer. Wann auch immer sie das letzte Mal in die Arme geschlossen wurden.
Und dann fährt sie ein. Die Bahn, die Anreihung von Wagen. Mit Anreihungen von Menschen hinter den Fensterscheiben. Am Bahnsteig stehen sie nun still, blicken angestrengt auf die Scheiben. Versuchen, vertraute Gesichter zu erkennen, um ihnen entgegenzulaufen, sobald sie den Zug verlassen.
Die Türen öffnen sich; die Bewegung kehrt in all diejenigen zurück, die eben noch starr am Gleis standen. Ein Gewusel beginnt. Menschen strömen aus den Wagen, blicken sich orientierungslos um und suchen ihren Weg. Oder wählen sofort die richtige Richtung, als ihre Schuhsohlen den grauen Beton berühren. Sie laufen die Treppen hinauf, verlassen das Gleis, lassen die Bahn hinter sich. Verschwinden aus meinem Blickfeld.
Ich bin auf der Suche. So wie die anderen Wartenden. Die sich nun durch das Gedränge kämpfen, angestrengt in das Meer aus Koffern, Köpfen und Kinderwagen schauen, um ihre Boje, ihren Anker, ihr Schiff oder ihren Hafen zu erkennen.
Ich finde dich. Und plötzlich ist alles andere weg. Nur du und ich und wir gehen aufeinander zu. Beide mit einem Grinsen im Gesicht. Nichts mehr zwischen uns, nichts mehr neben uns, wir halten uns fest, versinken in unseren Armen. Und genießen unsere Ankunft.
Als wir wieder aufschauen, ist das Gleis fast leer. Der Zug abgefahren. Die Masse der Mitreisenden und Wartenden verschwunden. Nur vereinzelt stehen noch Pärchen, Grüppchen herum. Die sich in den Armen halten. Sich küssen. Kinder hochheben. Lachen. Miteinander reden.
Und wir fassen uns an den Händen, gehen gemeinsam die Treppe hinauf. Ein letzter Blick auf die letzten Ankunftszeremonien.

Bis ich hier wieder stehe. Menschen sich wieder in die Arme fallen. Menschen wieder warten.
Ich dich ein letztes Mal küsse und am Ende dem Zug nachblicke, als er den Bahnhof verlässt. Ich stecke meine Hände in die Jackentaschen und erklimme die Stufen alleine.

Sonntag, 23. Dezember 2012

Ich hasse.

Loslaufen. Schreien. Etwas schlagen. Treten. Auseinandernehmen.
Der Handlungsimpuls ist alles, was in mir ist. Alles, was ich spüre. Was eine Bedeutung für mich hat.
Wut breitet sich in mir aus und sucht ein Ventil zum Ablassen. Hass strömt durch meine Venen, auch wenn ich ihn nicht spüren will. Ich will ihn nicht spüren, ich will ihn rauslassen, auskotzen.

Ich konzentriere mich darauf, sitzen zu bleiben. Diesen Text zu schreiben. Meine Finger über die Tasten schweben zu lassen.
Und meine Hand nicht zu einer Faust werden zu lassen. Nichts damit zu schlagen. Niemanden damit zu verletzen. Nicht mich. Nicht andere.
Weitermachen, ruhig bleiben, auch wenn in mir alles kämpft, alles schreit, alles nach einem Ausweg aus dem engen Körper sucht.

Jeder Reiz von außen lässt das Gefühl noch verstärken. Lässt mein Inneres beben.
Jedes Zeichen von außen, das mir zeigt, dass ich nicht alleine bin. Dass der Hass einen Grund hat. Jede Aktion regt mich auf. Jede Aktion gibt mir Anlass zum Hassen. Zum Weglaufen. Zum Schreinen. Und zum Schlagen.
Alles schlagen. Alles zerstören.
Weil ich alles hasse. Was ich nicht hassen will.

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Zehn wichtigste Ereignisse.

Die zehn wichtigsten Ereignisse meines Lebens. Ich soll sie aufschreiben, mit Datum versehen.
Wann ist das passiert?
Wann ist was passiert, was wichtig war?

Ich denke lange darüber nach. Mir fällt gar nichts ein und alles. Ich muss definieren: Was heißt "wichtig"? Was hat mich beeinflusst und warum? Hat es mein Leben verändert? Muss etwas Wichtiges mein Leben verändern? Oder kann es auch den Moment erhellen?

Ich lasse mein Leben Revue passieren. Denke über die Jahre nach, die vergangen sind. Über Leben, das ich gelebt habe. Freunde, die ich getroffen habe. Verloren habe. Geliebt habe. Menschen, die mich begleitet haben.
Entscheidungen, die ich getroffen, bereut und über die ich mich gefreut habe. 
Erkenntnisse, die gekommen, gegangen und geblieben sind.
Die Errungenschaften meines Lebens. Die großen und die kleinen. 

Der Tag, an dem ich lesen und schreiben gelernt habe - vor der ersten Klasse.
Der Tag, an dem ich in der 6. Klasse jemanden gefragt habe, ob sie nicht neben mir sitzen will. Sie hat mich später aufgebaut, gerettet und ihr Leben mit mir geteilt.
Der Tag, an dem ich mutig war und das Mädchen geküsst habe, in das ich mich verliebt habe.
Der Tag, an dem ich im Internet unterwegs war und gemerkt habe, wo mein Weg langgeht.
Der Tag, an dem mein kleiner Bruder geboren wurde. Auch wenn ich davon wenig mitbekommen habe.


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Montag, 17. Dezember 2012

Spiegelbilder.

Ich blicke auf die Person mir gegenüber. Schaue in meine braunen Augen. Lächle mich an. Ich lächle zurück.
Mein Blick wandert über meinen Körper. Von meinen Haaren - an den Seiten kurz, oben aufgestellt und hochgegelt - über meinen flachen Bauch bis zu meinen Schuhen - Chucks, ausgetreten.
Ich lächle wieder, schaue mir in die Augen. Gut sieht er aus, der junge Mann mir gegenüber. Ich gefalle mir.
Ein paar Minuten bleibe ich noch stehen. Betrachte mich. Drehe mich, sehe mich aus verschiedenen Perspektiven an. Nicke mir zu und studiere meinen Körper. Achte auf die Details. Die Augenbrauen, die dunkel und glatt in meinem Gesicht liegen, und die Knochen der Knie, die sich unter der engen Hose abzeichnen.
Daumen hoch, zeige ich mir selbst.
Und trete ein paar Schritte zurück von der weißen Wand, vor der ich stehe.

Ich brauche keinen Spiegel, um mich zu sehen. Ich kenne mich und ich weiß, wie ich aussehe. Zumindest, wie ich mich sehe.
Was ich erkennen würde vor einer Fensterfront oder einem Spiegel, ist was andere in mir sehen. Wie ich auf andere wirke. Die Wirklichkeit, für sie.
Vielleicht mit großem Unterschied zu meiner Realität, vielleicht auch nicht.

Sonntag, 16. Dezember 2012

Neue Zeiten.

Die Zeit vergeht. Unaufhaltsam.

Ich merke es am Abreißkalender auf meinem Schreibtisch, der immer dünner und dünner wird. Der Mülleimer wird mit den durchnummerierten Zettelchen immer voller und voller. Er bläht sich auf, wird dicker und dicker.
So wie Menschen um mich herum. Die dicker und dicker, dünner und dünner werden. Veränderung, Verwandlung. Neue Frisuren, neue Klamotten, weniger Lächeln, mehr Freude. Einige sind nicht mehr zu sehen, andere aus dem Nichts aufgetaucht. Haben sich in mein Leben geschlichen und einen festen Platz eingenommen.
Kinder sind gewachsen, Jugendliche in die Pubertät gekommen. Sie entwickeln sich.
Großeltern sind gestorben, Väter in Krankenhäuser eingeliefert worden. Sie verlassen uns.
Ich merke es an Tablettenpackungen, die täglich leerer werden. So viel Chemie in mich aufgenommen, so viel Leben künstlich gelebt.
An Jahresrückblicken im Fernsehen, obwohl noch Tage übrig sind im Jahr. Tage, an denen einiges passieren kann. Passieren wird.
An immer längeren Nächten und immer kürzeren Tagen. Es ist schon fast dunkel, wenn ich es schaffe aufzustehen. Von der Helligkeit bekomme ich kaum etwas mit, sie existiert hauptsächlich in Sonnenkalendern, die jede Bewegung des Himmelskörpers auf die Minute genau prophezeien. Immer näher rücken Auf- und Untergang zusammen. Die Zeit dazwischen wird immer geringer, immer nichtiger.
Generell wird alles nichtig, was nicht mit Weihnachten zu tun hat. Alles arbeitet auf das Fest hin. Jeder Adventskalender, der immer leichter wird, jeder Adventskranz, der immer heller wird.

Die Zeit vergeht. Offensichtlich.
Aber jeder Tag ist derselbe. Für mich.

Freitag, 14. Dezember 2012

Tausende von Wegen.

Der Weg ist gerade und gut ausgebaut. Locker lässt es sich auf ihm laufen. Keine Schwierigkeiten.
Und dann taucht plötzlich, ganz unvermittelt, eine Weggabelung vor dir auf. Rechts und links. Keine Wegweiser, keine Zeichen, keine Fußspuren. Kein Weg, der heller scheint, keiner benutzter, keiner zielführender.
Beide sind da. Du kannst nur einen gehen.

Bleibst du lange stehen und denkst nach?
Entscheidest du spontan, intuitiv?
Wirfst du eine Münze, lässt das Schicksal, den Zufall, Gott die Wahl treffen?

Wenn du deinen Weg genommen hast, zweifelst du?
Bist du unsicher, die richtige Wahl getroffen zu haben?
Läufst du zurück und versuchst, die Entscheidung erneut zu überdenken?

Musst du kämpfen auf deinem Weg? 
Versuchen dich andere zurückzudrängen, umzustimmen?
Oder helfen sie dir, sind für dich da, stimmen deiner Wahl zu?

Und am Ende:
Denkst du, du hast die richtige Entscheidung getroffen?
Oder würdest du alles anders machen? Wenn du könntest.

Welchen Weg auch immer du nimmst, es ist der richtige. Weil er in dem Moment zu deinem wird.
Und auch wenn du zweifelst. Auch wenn du ganz alleine gehst. Auch wenn dein Weg ein Trampelpfad ist, durch den du dich kämpfen musst. 
Du hast entschieden.


"Es gibt tausende von Wegen und einen davon gehe ich.
Es gibt Millionen verschiedener Pfade, doch nur einen Besonderen für mich."

[Mein Mio]

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Erinnerungen der alten Orte.

Ich laufe durch die Stadt und besuche alte Orte. Orte, die für mich alt geworden sind. Die in Vergessenheit geraten sind.
Es sind nicht die großartigen Plätze. Keine Spannung steht dahinter. Keine Besonderheit.
Es sei denn, man war schon einmal da. Es sei denn, man verbindet etwas mit diesen Orten. Es sei denn, man erinnert sich.
Ich will mich erinnern.

Und deswegen suche ich sie auf. Finde Andenken in Belanglosigkeiten.
Im Supermarkt, in dem ich mit alten Freunden war, denke ich an vergessene Worte und verdrängte Gefühle. Ich stehe vor den Regalen und erinnere mich daran, wie wir überlegt haben, welches Gewürz wir kaufen sollten. Das billige oder das teure. Wie wir Zutaten für unser Menü in den Wagen gepackt haben, die Liste ordentlich abgearbeitet und trotzdem später noch einmal loslaufen mussten. Wie uns gesagt wurde, wir sollen uns doch ein Eis kaufen, und das vergessen haben. Wir sind noch einmal zurück in den Laden, es war dir unangenehm. Es war dir auch unangenehm, mit Menschen zu reden; ich habe an der Kasse bezahlt, ohne nachzufragen.
Und ich fahre die Buslinie ab, die wir früher so oft benutzt haben. Um in die Stadt zu kommen, zum Rumlaufen, zum Beinevertreten, zum Einkaufen. Und danach wieder zurück. Ich blicke aus dem Fenster und erinnere mich an Gespräche, die wir genau hier geführt haben, Menschen, denen wir genau hier begegnet sind. Ich denke daran, wie unsicher du beim Ticketkauf warst, wie du dir nicht merken konntest, was du sagen solltest. Und wie du nach mir einfach gesagt hast: "Ja, dahin will ich auch. Oder?!" Wie glücklich wir waren, dem Alltag zu entkommen und allein für uns zu sein. Wie schön unsere Ausflüge waren.
Ich setze mich in das kleine Café, in dem wir saßen und Kakao getrunken haben. Den du ausgegeben hast, weil du noch einen Gutschein hattest. Wie wir zu spät zum Treffpunkt kamen, weil wir vorher so lange in der Schlange standen. Und weil wir vorher so lange genau dieses Café gesucht haben. Wie wir uns Ausreden überlegt haben, die wir am Ende doch nicht brauchten. Keiner hat danach gefragt.
Der kleine Laden, in dem wir unsere Zeit verbracht haben, wenn es draußen zu kalt war, erinnert mich an Späße, die wir gemacht haben. Ich stehe vor den lustigen Dingen, die wir uns angeschaut haben. Vor den Dingen, die wir uns gewünscht haben. Und vor denen, die wir gekauft haben. Ich schaue mir die Poster noch einmal an, die wir zusammen durchgeblättert haben, und höre unsere Worte in meinem Ohr.

Als ich mich am Ende des Tages in die Bahn setze und nach Hause fahre, denke ich an die Momente, in denen ich genau diesen Weg angetreten bin. Mit genau demselben Ziel wie heute. Nur dass ich immer wieder zurückgekehrt bin. Bis auf einmal - das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe. Das Ende meiner Zeit mit dir, mit euch. Das Ende der alten Zeit.
Ich blicke aus dem Fenster und fange fast an zu weinen. Im letzten Moment wandeln sich die aufkommenden Tränen in ein Lächeln.
Ich danke dir für diesen wunderschönen Tag. Auch wenn du nicht dabei warst.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Kopf hoch.

Kopf hoch und das wird schon.
Ist alles, was du sagst. Alles, was ich nicht hören will.
Weil mein Kopf nicht unten ist. Weil ich nicht einsehen will, dass er unten ist.
Und weil es mir egal ist, ob es wieder wird oder nicht. Weil der Moment dadurch nicht vergeht. Weil es mir jetzt trotzdem schlecht geht. Weil ich nicht immer glauben kann, dass es wieder wird.

Ich weiß es ja.
Ich weiß, dass du es gut meinst. Dass du mir helfen willst. Dass du für mich da bist.
Und ich weiß, dass es wieder werden wird. Was auch immer es ist, es wird wieder werden. Natürlich wird es werden. In welche Richtung auch immer, aber es wird sich ändern.
Nur ist das kaum von Bedeutung. Für mich. Für jetzt.
Wer denkt schon darüber nach, dass er fallen wird, wenn er ganz oben steht? Weil alles vergeht.
Warum sollte ich darüber nachdenken, dass ich wieder aufstehen werde, wenn ich ganz unten bin?
Ich will hier einfach sein dürfen. Will liegenbleiben und nicht aufstehen müssen. Will nicht, dass du mich aufforderst, meinen Kopf zu heben.

Lass mich doch ruhig hier unten. Für den Moment. Sag mir einfach, dass es ok ist. Ok für mich. Und ok für dich. Dass ich dir auch wichtig bin, wenn mein Kopf mal nicht oben ist.
Und behalt für dich, dass es wird.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Smileys.

Ich betrachte die lächelnden Smileys, die ich dir schicke. Sie sehen so fröhlich aus. So echt glücklich. Ich wundere mich darüber. Wie kann ich mit zwei Tasten ausdrücken, was mir real nicht gelingt?
Ich versuche, die Strich-Gesichter nachzumachen. Versuche, meine Mundwinkel nach oben zu ziehen. Es klappt nicht.
Es klappt nicht und trotzdem wirkt das Lächeln, das ich verschicke, echt. Real. So wie an jedem anderen Tag. Ich frage mich, warum das funktioniert. Warum das so einfach funktioniert und sich keine Träne einschleicht.
So wie es in meinem Gesicht passiert. Dem, das nicht aus Satzzeichen besteht. Dem, das am Lächeln scheitert und stattdessen weint.
Ich verzweifle daran. Ich fühle mich überfordert. Überfordert mit meiner eigenen Mimik, meinem eigenen Körper, mir selbst. Und all dem, was erwartet wird.

Ich denke an alles, was ich noch zu tun habe. An die vielen unerfüllten Punkte auf der Liste. An die Fristen, die meinen Kopf bevölkern und mit jedem Tag näher kommen. Die Pflichten, die immer dringender werden. Die ich immer weniger erfülle.

Aus den Gedanken werden trockene Tränen und stille Schreie. Die ich ausstoße und die niemand hört, niemand hören kann.
Weil alles, was daraus wird, lächelnde Smileys sind. So falsche lächelnde Smileys. An ganz der falschen Stelle :)

Samstag, 8. Dezember 2012

Einer gegen alle.

Schulschluss und ich will nur noch nach Hause.
An den Fahrradständern haben sich kleinere Jungs breitgemacht - Fünft-, vielleicht auch schon Sechstklässler. Sie lachen. Einer schleppt ein Fahrrad ein paar Meter weit. Er lacht auch.
Ein anderer stößt ein Rad um, tritt dagegen. Lachend.

Ich gehe daran vorbei und weiß, mein Fahrrad lag früher auch oft in den Büschen, war umgestoßen oder umgestellt. Irgendjemand lachte darüber, ich suchte schweigend. Und wurde meistens fündig.

Ein Klassenkamerad stößt zu den anderen.
"Hey, das ist doof!", höre ich ihn rufen. "Warum machst du das? Du willst doch auch nicht, dass andere sowas mit deinem Fahrrad machen!"
Ich blicke auf, lächle den Jungen an. Was für ein Mut, sich gegen die Gruppe zu stellen! Und wie Recht er hat.
Fast erwarte ich schon, dass die anderen ihn auslachen, ihn niedermachen und ihn als Feigling darstellen würden. Wie sollte es auch anders sein. Bei einer gegen alle. Selten ist es leichter, zu gewinnen. Selten ist es ungerechter.
Doch niemand meckert. Es wird still in der Gruppe. Der Angesprochene scheint Einsicht zu zeigen. Er trägt das Rad zurück an seinen Platz. Die umgeschubsten werden wieder aufgerichtet.
Keiner lacht mehr, sie schweigen.

Ich gehe lächelnd weiter. Was muss der kleine Fünftklässler - der kleinste von allen - für einen Standpunkt haben, wie respektvoll geht die Gruppe mit ihm um!
Und er hat gewonnen. Einer gegen alle. Ganz selbstverständlich. Weil er ja Recht hat. Weil er ja Gutes tut.

Und ich frage mich, was ihn zu einem so Großen macht. Oder ob das vielleicht jeder könnte, der den Mut hat, seine Stimme zu erheben.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Weil sie so ist.

Sie freut sich über den ersten Schnee, auch wenn er nicht liegenbleibt. Läuft nach draußen, wenn sie eine etwas dickere Flocke vom Himmel fallen sieht.
In ihrem Kakao ist mehr Pulver als Milch. Sie isst ihn mehr, als dass sie ihn trinken würde.
Sie geht mit ihren Freunden ins Kino, auch wenn ihr der Film nicht gefällt. Damit niemand allein sein muss.
"Arschloch <3"  und "Dooffisch <3" sind ihre größten Komplimente.
Am liebsten hätte sie jeden meiner Pullis und alle meine Jacken. Sie leiht sie sich aus, riecht tagelang daran und redet davon, mir meine Klamotten niemals wiederzugeben.
"Glaubst du, ob man beim Telefonieren eine Rolle machen kann? Meinst du, man macht dabei voll das coole Geräusch?", fragt sie mich am Telefon.
Man kann mit ihr über alles reden, weil sie alles versteht, aber nicht alles verstehen muss. Weil sie Unfug liebt und auch ernste Gespräche immer mitmacht.
Ihr Smiley-Wortschatz ist riesig. Von vielen weiß sie selbst nicht, was sie bedeuten. Hauptsache, sie sehen süß aus.
Sie versucht, mir meine Haare zu machen. Und schmiert das Haarwachs dann doch lieber als Kriegsbemalung in mein Gesicht.

Sie sagt, sie wünscht sich, richtig süß zu sein. Und merkt dabei nicht, wie süß der Wunsch allein ist. Und wie viele Gründe es für ihre Süßheit sonst noch gibt.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Mein Nebel.

Es ist grau. Und alles verschwindet in einer nebligen Wand. Alle Gegenstände sind nur noch Konturen, Schatten - ungreifbar und undeutlich.
Es ist kalt, trist - leblos.
Bäume und Büsche stehen als Skelette in den Gärten, die Blätter und mit ihnen die Farben des Lebens sind abgeworfen. Weggefegt und in Mülltonnen verschwunden.
Doch auch die Ordnung der Stadt geht unter in der grauen Masse.

Es ist, als hätte sich die Natur auch in meinen Kopf geschlichen.
Da ist nur Nebel in mir, nichts Festes, nichts Greifbares, nichts zu erkennen.
Ich kann keine klaren Gedanken fassen, weil alles sofort hinter den grauen Schleiern verschwindet und sich im Nichts auflöst.

Ich hoffe, der Frühling in mir wird schneller kommen als der der Welt.

Montag, 3. Dezember 2012

Alleinsam.

Ich sitze auf meinem Bett und schaue ins Dunkel um mich herum.
In allen Richtungen sehe ich helle Streifen: vor der Tür, hinter dem Vorhang.
Ich wünschte, sie würden verschwinden.
Ich wünschte, die Dunkelheit wäre vollkommen.

Um das Gefühl zu haben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein - ganz allein.

Denn so hätte diese Einsamkeit in mir einen Grund.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Schneeflöckchen, Weißröckchen.

"Snowflake, snowflake, little snowflake,
Little snowflake falling from the sky.
Snowflake, snowflake, little snowflake,
Falling, falling, falling, falling, falling,
Falling, falling, falling, falling ... falling on my head."

[Little Snowflake]


Es schneit. Weiße Flocken fallen vom Himmel und bedecken den Boden mit einer glitzernden Schicht. Überall glänzt es verzaubert, die Bäume und Büsche legen sich schlafen unter der dicken Schneedecke.

Zumindest scheint es so, als würde das im Kopf des kleinen Mädchens vorgehen, das im roten Schneeanzug vor meinem Fenster herläuft.
In der Realität ist alles, was vom Himmel fällt, matschiger Schneeregen, der nur an den wenigsten Stellen liegenbleibt. Auf Bäumen und kleinen Grasflächen.
Das Mädchen stört sich wenig daran. Der erste Schnee im Jahr; egal ob meterhoch oder kaum zu erkennen.
Sie fängt die nassen Flocken mit den behandschuhten Händen auf und läuft von Schneefeld zu Schneefeld. Überall beugt sie sich hinunter und streichelt liebevoll über den weißen Matsch.

Sie sieht verloren aus, wie sie durch die Nässe läuft. So verloren wie der Schnee, der gegen den noch zu warmen Erdboden verliert.

Ich sitze lächelnd vorm Fenster, höre Kinderlieder und freue mich auf den ersten großen Schnee. Nicht weil es mir so sehr gefallen würde, sondern weil ich es genieße, den Nachbarskindern beim Schneemannbauen und Schlittenfahren zuzusehen.





Samstag, 1. Dezember 2012

Weihnachtsmänner mit Kinderaugen.

Vor 10 Jahren bin ich extra früh aufgestanden. Habe mir den Wecker gestellt und schon tagelang gierig gewartet. Mich darauf gefreut, das Geheimnis zu lüften und zu sehen, was hinter dem Türchen auf mich wartet.
Eine Schokoladen-Lokomotive oder vielleicht ein Schokoladen-Engel? Was wohl besser schmecken würde, das Auto oder der Weihnachtsmann?

Ich habe meine Wunschliste per Hand geschrieben. Kaum leserlich, aber die wichtigsten Dinge waren fett unterstrichen und farbig markiert.
Als Anlage lagen die aktuellen Playmobil- und Lego-Kataloge dabei. Mit einem Kreuzchen versehen alle Artikel, die der Liste noch hinzugefügt werden sollten. Es waren fast mehr Kreuze als Artikel.

Ich habe dem Tag entgegengefiebert, an dem wir endlich einen Tannenbaum kaufen würden. Ich war vorne mit dabei, wenn es ums Aussuchen ging. Den schönsten, den grünsten, den größten. Dass er nicht ins Wohnzimmer passen würde, störte mich nicht. Man könne doch ein Loch in die Decke sägen.
Über der Ecke des Raums befand sich mein Kinderzimmer, ich hätte die Spitze mit dem Stern bei mir im Bett gehabt. Die Argumente dagegen habe ich jahrelang nicht verstanden. Ich hätte doch aufgepasst, als wenn ich durch das Loch gefallen wäre?! Ich hätte Absperrband genommen, damit auch meine Freunde beim Spielen nicht im Wohnzimmer landen würden. Und im nächsten Jahr könnten wir den nächsten Baum hindurchstecken. Am besten einen noch größeren.
Am Ende wurde die Tanne unten abgesägt und passte haargenau in den Raum.

Ich wollte Kerzen anzünden, Kränze schmücken und das Haus dekorieren. Überall verteilte ich meine Kugeln, Weihnachtsmänner und Tannennadeln. Niemand durfte sie anrühren oder umsetzen, mein Konzept war durchgeplant und sinnig. Kein Figürchen stand alleine; sie sollten nicht einsam sein in der Weihnachtszeit. Grüppchenweise belagerten sie alle Zimmer des Hauses.

Tagelang lief ich mit Schoko-Mund durchs Haus. Allen Weihnachtsmännern und Nikoläusen wurde der Kopf abgebissen, die Körper sammelten sich unangetastet.

Heute freue ich mich alleine auf Weihnachten. Und vermisse den kleinen Jungen, der fröhlich gute Laune verbreitet.

Dienstag, 27. November 2012

Es lauert im Dunkeln.

Die Uhr zeigt immer spätere Zeiten an, die Zahlen der im Chat Anwesenden werden immer kleiner, meine Augen immer schwerer.
Ich sitze auf meinem Bett, aber schalte das Licht nicht aus.
Ich könnte sofort einschlafen, aber ich schließe die Augen nicht.

Weil ich Angst davor habe, unter das Bett zu schauen, in Erwartung, dort ein Monster anzutreffen.
Angst davor, den Vorhang zu bewegen, hinter dem ich Messerstecher vermute.
Angst vor den Geistern in meinem Schrank.

Nur dass die Fantasiegeschöpfe meiner Kindheit nicht mehr existieren:

Das Monster unter meinem Bett besteht aus Gedanken, die sich mir aufdrängen, wenn ich die Augen schließe.
Nicht den Schmerz des Messers, das hinter meinem Vorhang herschnellt, fürchte ich, sondern den Schmerz in mir, der im Dunkeln nur noch deutlicher wird.
Geister wurden zum Sinnbild meiner Befürchtungen; sie dringen in meinen Geist ein und erinnern mich immer wieder daran, was ich zu verlieren habe, was ich erreichen muss.

Und so vertreibe ich die Dunkelheit mit offenen Augen und hellem Licht. Die Angst vorm nächsten Tag immer spürbar; das Wissen um die Müdigkeit am Morgen und den Kampf, aufzustehen, zu funktionieren und zu leben.

Mit jeder Minute, die ich wach das Einschlafen fürchte, steigt die Wahrscheinlichkeit liegenzubleiben. Und den Schlaf im Hellen nachzuholen, der mir im Dunkeln verwährt bleibt.

Montag, 26. November 2012

Für wirklich immer.

Für immer bist du gefangen.
Für immer denkst du daran.
Für immer erinnerst du dich.

Was du einmal probiert hast, ist immer da.
Wenn du einmal die Erleichterung gespürt hast,
weißt du ständig, wie du sie wiedererlangen kannst.

Ewig gibt es die Option.
Ewig die Möglichkeit, von vorne zu beginnen.
Ewig bleibt die Idee.

Immer wieder musst du kämpfen.
Und nicht immer wirst du gewinnen.
Verlieren gehört dazu.

Und wenn du denkst, du hast es geschafft,
fällst du doch wieder.
Härter, tiefer, mit jedem Mal enttäuschender.

Für immer bleiben die Narben.
Und für immer werden Messer etwas Besonderes sein.
Für wirklich immer.


Auch wenn du es jahrelang unterdrückt hast.
Auch wenn du jahrelang nicht mehr daran gedacht hast.
Auch wenn die Narben verblasst sind.

Du wirst fallen.

Sonntag, 25. November 2012

Ende der Sprache.

Ich rede und rede und rede. Benutze verschiedene Worte, neue Satzstrukturen, diverse Ansätze, immer mit derselben Botschaft.
Ich teile dir etwas mit. Und du glaubst mir nicht.
Egal, was ich sage, es kommt nicht bei dir an. Du hältst es für eine Lüge. Oder nimmst es nicht ernst.
Lässt die Worte einfach so stehen, die ich mir genau überlegt habe. Nimmst sie nicht in dir auf, denkst nicht über sie nach. Sie bleiben einfach so - ausgesprochen, aber nicht zielführend.

Was soll ich denn noch tun, wenn die Worte nicht mehr reichen?
Was soll ich tun, wenn alle Möglichkeiten der Sprache erschöpft sind?
Wenn ich festhänge, in Phrasen und feststehenden Wortgefügen?

Was für ein Wort soll ich benutzen, wenn "danke" nicht mehr ausreicht, weil es nach jeder Kleinigkeit gesagt wird?
"Wie geht's dir?" erwartet doch eh keine Antwort, aber was soll ich fragen, wenn ich es wirklich wissen will? Wie kann ich meinen Satz von dem Allgemeinen unterscheiden, wenn ich doch in denselben Worten gefangen bin?
"Ich liebe dich" sagt nicht aus, was ich fühle, weil doch im Internet plötzlich jeder jedem "ild" schreibt.
Und mein "mir geht es schlecht" geht unter zwischen Bauchschmerzen, Liebeskummer nach einer Woche Beziehung und Beste-Freundin-Zickereien.

Mit Gesten und mit Mimik versuche ich meine Absichten deutlich zu machen, mich von den Phrasen abzuheben. Aber klappt das immer? Sind solche Sätze nicht schon so eingebrannt, dass danach ganz automatisch geantwortet wird?

Ich will etwas Besonderes sagen. Ich will etwas Besonderes sein. Ich will, dass du ganz besonders darüber nachdenkst und nicht in automatisierter Routine reagierst.
Aber es scheint so ausweglos.

Du nimmst auch weiterhin nicht ernst, was ich sage. Und das frustriert.
Warum sollte ich aussprechen, was ich nicht so meine? Warum sollte ich mich mit inhaltslosen Antworten abgeben, wenn ich mir die Mühe mache und in Worte fasse, was ich denke?

Wir unterhalten uns. Wir kommunizieren. Mit Worten, mit Sätzen. Mit Sprache.
Wir nutzen sie täglich. Und wir nutzen sie ab. Wandeln sie um, wandeln sie ab.
Und plötzlich merken wir: Was ich sage, sagt gar nichts mehr aus.
Das, was ich sagen will, dafür gibt es kein Wort, keinen Satzbau; nicht umzusetzen in die allgemeine Form, weil es dafür zu persönlich ist.

Samstag, 24. November 2012

Applaus der Welt.

"Wenn man die Augen zumacht, klingt der Regen wie Applaus."

[Enno Bunger]


Die Tropfen prasseln auf die Erde und veranstalten ihr ganz eigenes Konzert.
Als Paukenschläge treffen sie auf den harten Boden.
Sie streichen durch die Blätter der Bäume wie Geigen, Celli und Kontrabässe.
Platschen in Pfützen und Wasserlachen, als wären sie einzelne Töne der Glockenspiele.
Im Zusammenklang hört man ein gesamtes Orchester, das vor dem Publikum der Welt spielt. Die wenigsten hören zu und genießen das Konzert vor ihrer Nase; in die Häuser zurückgezogen, wird der Fernseher lauter gestellt, um das Prasseln des Regens zu übertönen. Die Stimmen von Supertalenten, Superstars und Dieter Bohlens sollen weiterhin im Vordergrund stehen.

Nach dem letzten Schlussakkord folgt der Applaus.
Der Applaus des Regens, der sich selbst beklatscht.
Und auch den wenigen Menschen dankt, die zugehört haben.

Die Welt applaudiert all denjenigen, die den Applaus erkennen.

Mittwoch, 21. November 2012

November.

Es riecht nach Mandarinen und nach Tee in unserem Klassenraum. Die Heizung ist auf die höchste Stufe gestellt. Wir sitzen an unseren Tischen; unterhalten uns, arbeiten, hören leise Musik. Manche bringen sich mehr ins Gespräch ein, andere weniger. Trotzdem ist jeder dabei.

Nach der Schule begeben wir uns alle auf unseren ganz eigenen Weg nach Hause. Auf dem Fahrrad, im Bus, mit dem Auto.
Es dämmert schon, die Stadt wird durch Lichter erhellt. Sie rauschen an uns vorbei; an jedem für sich: Die Scheinwerfer der Autos auf der Hauptstraße, die Laternen am Wegesrand oder hell erleuchtete Fensterscheiben, hinter denen Menschen sitzen wie wir. Vielleicht mit dem Geruch von Zimt und Plätzchen in der Nase, vielleicht lachend mit anderen, vielleicht einsam beim Tee.

In der Einkaufsstraße weisen Sterne und Tannenzweige den Weg; die Weihnachtsbeleuchtung strahlt über den Gehwegen. Der Bratwurststand bietet ab heute auch Glühwein an und der Duft breitet sich über die Menschenmassen aus. Viele verlangsamen ihre Schritte und genießen den Moment.
Die Supermärkte verkaufen Weihnachtsmänner aus Schokolade und zum Dekorieren, Adventskalender, Lichterketten und warme Decken. Spielzeug "ideal zum Verschenken" und Karten zum Verschicken; "Frohes Fest" und "Merry Christmas".

Menschen hüllen sich in Winterjacken, Mützen und Schals. Der Atem wird zu sichtbarem Dampf. Beim Hineinkommen sind Wangen und Hände rot; überall hört man freudiges Aufatmen beim Betreten der warmen Häuser und Geschäfte.
Die Fahrradständer in der Stadt werden leerer, Busse und Bahnen voller.

Es ist November, trist und grau. Doch überall brennt Licht, viele Menschen lächeln und freuen sich aus ihren ganz eigenen Gründen.
Bald kommt der Winter, vielleicht der erste Schnee. Die Adventszeit hat schon fast begonnen, Weihnachten steht vor der Tür.
Und Silvester. Für all diejenigen, denen die Ruhe des Winters zu viel wird oder die sich auf den Neubeginn eines weiteren Jahres freuen.

Montag, 19. November 2012

Und zuerst die Angst.

Ich spüre die Nervosität im Bauch kribbeln. Das Gefühl breitet sich über den ganzen Körper aus, lässt mich nicht los.
Sie kriecht in meine Beine, erschwert mir das Laufen. In meine Hände und verhindert, sie stillzuhalten.
Schließlich beherrscht sie auch meinen Kopf. Mein Denken. Die Steuerzentrale des Menschen.
Meine Gefühle werden alle in dieselbe Richtung gelenkt: Angst.
Meine Gedanken lassen sich nicht mehr kontrollieren. Aus positivem Optimismus wird konsequent: "Du wirst versagen. Definitiv."
Mein Herz schlägt schneller. So als würde es versuchen, das Negative weit weg zu pumpen. Raus aus dem Körper. Nur weg damit!
Doch es klappt nicht.
Nichts findet einen Ausweg aus dem geschlossenen Blutkreislauf. Keine Angst und kein Gedanke. Alles bleibt und verbreitet sich durch das häufigere Schlagen auch viel schneller in mir.
Bis die Nervosität überall ist. Und mich fest im Griff hat. Sie ist in mir und hält mich trotzdem fest.
Ich bin machtlos gegen ihr eisernes Drängen.

Und dann kommt der Moment, vor dem ich so viel Angst hatte. Weswegen mein Körper aufgeben wollte. Von dem mein Verstand sicher war, dass ich vollends versagen würde.
Und ich merke: "Ich kann das doch alles, ich bin gut!"
Es klappt, wie es klappen sollte.
Mein Körper fängt an, sich zu entspannen. Fängt an, die Nervosität zu verdrängen.

Ich realisiere, wie ich lächle.
Über das Gefühl, weil es so falsch lag.
Über mich, weil ich es so locker besiegt habe.
Und ein bisschen auch, weil ich stolz bin auf null Fehlerpunkte in der Theorie-Prüfung!

Freitag, 16. November 2012

Lightning McQueen.

Mein kleiner Bruder sitzt auf dem Boden und zieht DVDs aus dem Regal. Er legt sie ordentlich aneinandergereiht auf den Boden. Konzentriert ist er bei der Sache.
Ich frage ihn: "Was baust du denn da?"
"Eine Rennstrecke", antwortet er. "Für Lightning. Lightning McQueen."
Und er zeigt auf ein rotes Lego-Auto, was noch neben der DVD-Rennbahn steht und auf seinen Einsatz wartet.

Mit welcher Leidenschaft er daran arbeitet!
Mit welcher Fürsorge er etwas für einen Gegenstand erstellt!
Mit welcher Überzeugung er auf meine Frage eingegangen ist. Und wie selbstverständlich die Antwort für ihn doch war.

Es ist doch klar, dass er für Lightning Rennstrecken baut. Weil Lightning es verdient hat. Weil Lightning Rennstrecken zum Fahren braucht!
All das klingt im Tonfall seiner Antwort mit.

Und er sitzt weiter auf dem Boden, die DVD-Sammlung vor ihm verteilt. Und niemand stört sich daran, dass die Filme eigentlich ins Regal gehören und dass andere von Unordnung sprechen würden.
Denn es ist ja eine Rennstrecke. Für Lightning.



Lightning McQueen: I'm a very famous race car!
Luigi: You are a famous race car? A real race car?
Lightning McQueen: Yes, I'm a real race car, what do you think? Look at me.
Luigi: I have followed racing my entire life, my whole life!
Lightning McQueen: Then you know who I am. I am Lightning McQueen.
Luigi: I must scream it to the world, my excitement from the top of someplace very high. Do you know many Ferraris?

[Cars]

Donnerstag, 15. November 2012

Du hast es gut.

"Du hast es aber gut!", sagte der ältere Mann in der Bahn zum Jungen neben ihm. "Du gehst noch zur Schule;  solltest die Zeit genießen, in der du unbeschwert keine Entscheidungen treffen musst."
"Ja", entgegnete dieser leise. Während er angestrengt versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die beim Gedanken an die Schule in ihm aufkamen. Und er dachte an die blauen Flecke auf seinem Körper, die er so emsig versteckte, und die Jungs aus seiner Klasse, die ihn heute in der Umkleidekabine eingeschlossen hatten. An Lehrer, die ihn für die Vergehen der anderen bestraften, und an seine Eltern, die ihn nach schlechten Noten ins Zimmer sperrten.
Als er die Tränen auf seiner Wange spürte, drehte er den Kopf zum Fenster und wünschte sich, erwachsen zu sein.

"Du hast es aber gut!", sagte das junge Mädchen zu ihrer Mutter. "Musst nicht um acht im Bett sein und niemals Hausaufgaben machen."
"Das stimmt", antwortete sie mit zaghaftem Lächeln. Während sie daran dachte, dass ihr Mann abends wohl wieder betrunken nach Hause kommen würde, sie schlagen und sie seinen Gestank und sein Gebrüll ertragen musste. Und sie erinnerte sich an den Brief vom Gericht auf ihrem Schreibtisch, der sie aufforderte, die offenen Rechnungen zu zahlen. An ihre Mutter, die das Krankenhaus wahrscheinlich nie mehr verlassen würde, obwohl doch noch so viele Fragen offen und so viele Worte unausgesprochen waren.
Als sie Tränen in ihren Augen spürte, wendete sie sich den Kochtöpfen vor ihr zu und wünschte sich, wieder ein kleines Mädchen zu sein.

"Du hast es aber gut!", sagte die Jugendliche zu ihrer Klassenkameradin. "Du siehst gut aus, alle Jungs stehen auf dich und in der Schule bist du auch noch toll."
Die Angesprochene nickte schweigend. Doch in Gedanken konnte sie dieser Aussage nicht zustimmen, weil sie an ihren Freund denken musste; daran, wie er sie aufs Bett gedrückt hatte, wie er gesagt hatte, sie wäre auch nicht geiler als andere und wie er meinte, sie wolle das doch auch; niemand würde ihr glauben, niemand würde ihr zuhören. Und daran, wie sie abends im Bett lag, die Packung Schlaftabletten neben ihr und sie die kleinen Pillen nur nicht nahm, weil sonst niemand mehr ihr Kaninchen füttern würde.
Mit Tränen im Gesicht verließ sie das Klassenzimmer, schloss sich auf der Toilette ein und wünschte sich, ganz normal zu sein.

"Du hast es aber gut!", sagte der Jugendliche zu einem seiner Mitspieler aus dem Fußballverein. "Deine Eltern sind nicht so streng, lassen dich abends lange ausgehen und sind nicht sauer, wenn du eine schlechte Note hast."
"Ja, vielleicht", antwortete er, ohne aufzuschauen. Er dachte an die unendlich blauen Augen seines Gegenübers und daran, dass diese Schwärmerei niemals echte Liebe werden würde. An die intoleranten Sprüche seiner Freunde und Familie über "schwule Säue" und daran, dass niemand von diesen jemals verstehen könnte, wie sehr er sich davon angesprochen fühlte. An den Wunsch seiner Eltern nach Enkelkindern und an seine Zukunft als Ehemann einer Frau.
Die Tränen blieben ihm im Hals stecken und voller Wut trat er gegen den Ball, der in sauberem Bogen ins Toreck flog.
"Ja, ich hab es gut!", schrie er in Richtung des dunklen Himmels. "Aber du auch, verdammt!"

Mittwoch, 14. November 2012

Und nach all den Jahren.

Jahrelang leben wir aneinander vorbei und wissen nicht, wie wir miteinander umgehen sollen.

Wir beginnen zaghaft, uns wieder zu grüßen. Verleugnen nicht mehr, dass wir uns kennen. Dass wir uns beide auch über die zurückliegenden Zeiten bewusst sind.
Trotzdem steht noch einiges zwischen uns.
Unausgesprochene Worte. Ungelöste Probleme. Und unerklärte Entscheidungen.
Schuldgefühle auf beiden Seiten und die Unsicherheit, ob der Wunsch nach Kontakt überhaupt auf Gegenseitigkeit beruht.

Bis jemand allen Mut zusammennimmt, die Initiative ergreift. Sich Schuld eingesteht und den Wunsch äußert, doch etwas zu ändern.
Und plötzlich fällt auf: Die Jahre, die wir damit verbracht haben, nebeneinanderher zu leben, haben wir gleichermaßen damit verbracht, etwas zu vermissen.

War es deshalb verschwendete Zeit, weil wir schon früher hätten aufeinander zukommen können? Weil wir, in Gedanken vertieft, die Chance nicht ergreifen konnten?
Nein! Wir beide haben uns unabhängig voneinander weiterentwickelt; haben neue Ansichten gewonnen, neue Freunde kennengelernt und ganz anderes erlebt.
All das können wir jetzt einbringen, wenn wir uns zaghaft weiter annähern. Wenn wir Worte austauschen und merken: Die Person, die früher so vertraut war, ist noch dieselbe. Sie hat sich nur weiterentwickelt. Genau wie ich.

Und aus scheuen Anfängen gewinnen wir plötzlich Sicherheit und kein Jahr steht mehr zwischen uns.

Dienstag, 13. November 2012

Wie Romeo und Julia, Tarzan und Jane.

Deine Haare in meinem Gesicht. Deine Hände auf meiner Haut. Dein Mund auf meinen Lippen.
Unsere Finger halten einander. Unsere Blicken begegnen sich. Unser Lächeln ist dasselbe.

Es könnte so schön sein. Es könnte so viel geben und so viel entstehen lassen.

Aber es geht nicht und es darf nicht gehen.
So viel steht zwischen uns.

Wie kann sich ein Mensch erlauben, die Gefühle anderer Leute zu beurteilen?
Wie kann sich jemand als Richter auftun und Liebe verbieten? Wenn sie doch eh nicht einzuschränken ist.
Selbst wenn ich gehorchen wollte; es geht nicht.
Es geht nicht. Ich liebe dich.

Wie sollte ich solche Euphorie runterschlucken, niemandem zeigen und jahrelang verbergen?
Wie sollte ich immer wieder unsere Freundschaft betonen, wenn wir beide genau wissen, dass es unsere Gefühle nicht beschreibt?

Und vor allem: Warum sollte ich es tun?
Ich stehe zu meinen Gefühlen und ich stehe zu dir.

Was ist das für eine Welt, in der Versteckspiele zielführender sind als Liebe füreinander?
Wo alle immer für mehr Liebe plädieren und dann doch Einschränkungen geben, wer liebenswert ist und wer nicht.

Also verstecken wir uns weiter, vermissen einander und überleben mit der Hoffnung, uns nicht beeinflussen zu lassen.
Weil niemand es versteht.


"Why can't they understand the way we feel?
They just don't trust what they can't explain
I know we're different but deep inside us
We're not that different at all"

[Phil Collins]

Mittwoch, 7. November 2012

Grenzen.

Ich gebe alles. Alles, was ich habe. Alles, was ich kann.
All das, was immer gereicht hat. Für alles. 

Ich bin zufrieden mit mir und stolz auf mich, das durchzuziehen. Nicht aufzugeben. So stark zu sein. 

Bis ich das Ergebnis sehe. 
Bis mir gesagt wird: Es ist nicht gut, es reicht nicht, das geht alles besser.
Nichts ist es, nichts. 
Aber es geht besser. Es muss besser gehen. Denn es ist nicht perfekt.
Alles gegeben zu haben, ist am Ende nicht genug. 

Was soll ich denn tun? Wenn nichts mehr geht, weil alles schon war?

Ich stoße an die unsichtbaren Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. 
Weil ich zu schwach bin. Oder meine Erwartungen zu hoch.
Doch ich will sie nicht herabsetzen. Denn auch das wäre Zeichen von Schwäche. Aufgabe. Schlecht. Zu schlecht.

Niemand anders würde es so sehen. Weil niemand anders solche Erwartungen an mich hat. 
Aber niemand anders ist mir auch so wichtig wie ich, weil ich keine Enttäuschung so fühle wie meine.

Dienstag, 6. November 2012

Inspiriert.

"Du bist eine Inspiration für mich.
Ich finde es toll, wie du (zumindest äußerlich) wieder auf die Beine gekommen bist und jetzt wirklich du bist. Menschen wie du geben mir Zuversicht."

Wie geil bist du denn?
Wie geil ist das denn?

Wie verdammt wundervoll. Und wie verdammt berührt ich davon bin.
So sehr, wie ich es dir gar nicht deutlich machen kann.
Und wie es auch gar nicht nötig ist.
Denn ich habe meinen Lohn in deinen unbeschreiblichen Worten und du deinen in der Inspiration gefunden.
Was für ein unausgesprochenes Einverständnis! Was für ein fantastisches!
Weil wir beide so wenig tun, um so viel zu geben.

Worte. Die so viel bewegen.

Wie ich früher Menschen begeistert angesehen habe, die mich und andere inspirierten.
Wie ich mir gedacht habe: Wie unbeschreiblich muss es sein, in dieser Art einen Menschen zu berühren. Wie unbeschreiblich, nur eine einzige Person durch Worte und Leben zu beeinflussen. Jemandem Mut zu machen. Jemanden nachdenken lassen.
Jemanden so, so, so ins Herz zu treffen.

Das allein kann Grund zu leben sein. Und ich danke dir dafür.

Montag, 5. November 2012

Ein Bahnhof.

Im Bahnhofsgetümmel

bewegen sich alle in
ihre eigene Richtung

Laufen ohne nach links oder nach rechts zu
schauen,
weil sie ihr Ziel haben.

Feierabendvor-freude
Nachtschichtbeginn-ärger
Wiedersehens-glücksgefühl
Abschieds-angst

Für heute, für immer; nie mehr, morgen wieder

endloser Kreislauf
jeden Tag der-
selbe Weg


und ich streife durch die menge und
mein ziel ist es
unter menschen zu sein und trotzdem

ganz allein

weil sich eh
niemand kümmert
niemand kümmern
kann:

Das würde viel zu sehr von der ausgereiften Routine ablenken.


mit dem blick stur geradeaus sieht man nur grauen asphalt auf dem weg; die bunten blumen wachsen am straßenrand; die einzigen farbtupfer sind

Weggeworfener Müll!

Donnerstag, 1. November 2012

Regentropfenzauber.

Es wird dunkel und auf der Fensterscheibe sammeln sich die Regentropfen. Ich schaue hinaus und durch das Wasser verschwimmen die Lichter der Straßenlaternen.
Die Welt sieht traurig aus.
Denn die Reflektionen und Spiegelungen erinnern an einen Blick mit Tränen in den Augen. Auch dieser Schleier lässt Beleuchtungen und Helligkeit unklar werden.

Früher habe ich das Spiel der Lichter als magisch angesehen und mich über jede Träne gefreut, die es hervorgerufen hat.

Wie aus einer einzigen Lampe so viel neues, glitzerndes Licht entstehen kann, wenn man es durch einen Wassertropfen betrachtet.
Wie aus Trauer so viel Schönes kommen kann, wenn man genau hinschaut.
Wie die Welt plötzlich ganz anders scheint.
Und sich Neues auftut.

So viel Magie.
Wenn man die Augen öffnet und sie nicht krampfhaft schließt, um die Tränen zu unterdrücken.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Du bist wie Musik.

Musik ist so wundervoll. Sie kann so viel, ohne mich zu kennen.
Sie versteht mich mehr als alle anderen, in fast jeder Situation. Sie kümmert sich um mich, lässt mich nie allein. Macht mir Mut und hilft mir, wieder aufzustehen.
Sie kann mich stundenlang beschäftigen und nie wird mir langweilig. Sie hilft mir, abends einzuschlafen, und bringt mich durch den Tag.
Sie lässt zu, dass ich meine Gefühle rauslasse und mir bewusst wird, was ich empfinde. Sie akzeptiert mich in all meinen Facetten.
Sie bringt mich zum Lachen und zum Weinen, zum Nachdenken und Entspannen.
Ich fühle mich so wohl mit ihr und bin ihr dankbar, dass sie da ist.

Wie die einzelnen Noten zusammen Sinn ergeben. Wie einzelne Worte zusammen Geschichten erzählen.
Wie Melodien sich in den Geist einbrennen und so viel Verschiedenes aussagen. Die Möglichkeiten, Töne aneinanderzureihen, sind so vielseitig und nie erschöpft.
Im Zusammenklang erscheint das Ganze so elegant, so leidenschaftlich, so vielsagend. Und so schön.
Die Töne klingen im Kopf nach; lassen Gefühle entstehen, Erinnerungen wieder aufflackern und Gedanken kreisen.

So viel, was sie mir gibt. So viel, was sie mir bedeutet.
Sie, die Musik, und
sie, das Mädchen, auf das auch so viel davon zutrifft.


"Und wir lesen in den ältesten Liedern
unsere neusten Träume
und kommen immer wieder zu ihr zurück,
um abzutauchen und Luft zu holen.
Musik."

[Pohlmann]

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Countdown für immer.

Auch der längste Tag hat nur 24 Stunden.
Auch die härteste Stunde endet nach 60 Minuten.
Und die angespannteste Minute wird 60 Sekunden nicht überschreiten.

Jede Woche wird vergehen. Selbst wenn du Montag schon in Freitags-Stimmung bist.
Jeder endlose Countdown wird irgendwann bei Null stehen. Aus 42 Tagen werden plötzlich 14. Nur noch 2 Wochen, bald ist es geschafft. Und wenn der ersehnte Moment unaufhaltsam näher gerückt ist, die Vorfreude ins Unermessliche gestiegen; weißt du dann noch, wie unwahrscheinlich es dir zu Beginn schien, jemals so weit zu kommen?

Auch wenn du die Minuten bis zum Feierabend zählst und dein Körper dir immer wieder deutlich macht, dass es nicht mehr geht; selbst die 138 Minuten enden.
Und wenn du aus der Tür trittst, ist der ganze Schmerz vergessen, der Countdown nur noch Erinnerung.
Bis zum nächsten Morgen. Wenn er wieder bei 9 Stunden beginnt. Und du dir nicht vorstellen kannst, jemals wieder nach Hause gehen zu dürfen.

Und während zu Beginn der Schulzeit ein Abschluss in weiter Ferne scheint, bist du plötzlich mittendrin. Stress und Prüfungen und dann fällt dir auf, dass du ja noch gar keine Ahnung hast, wo du mal hinwillst.
Beruf? Nie Gedanken drüber gemacht, war ja immer noch so viel Zeit.
Ausziehen? Geld? Auf eigenen Beinen stehen? Verantwortung?

Und eben hast du dich noch von 15 bis 18 Uhr mit den Nachbarskindern verabredet und das war schon wirklich lange. Vor allem wenn du allein nach Hause gehen durftest. So spät.

Siehst du mal, wie die Zeit sich ändert und vergeht.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Vertrau mir.

"Ich hab so viel Vertrauen zu dir wie ich glaub zu niemandem."

Sagst du. So ganz mal eben, nebenbei.
Und machst mich damit so glücklich wie ich glaub niemanden.

So viel Hoffnung, die du in mich legst. Und so viel, was ich enttäuschen könnte. So viel, zu gewinnen.
So viel auf einmal.

Ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, dem du so sehr vertraust. Ich bin froh, weil du mir so wichtig bist. Und weil ich weiß, wie wichtig es ist, vertrauen zu können.
Ich bin dir dankbar, dass du mich zu einer so wichtigen Person machst.

Irgendwo in meinem Inneren weiß ich: Es könnte so viel schiefgehen. Ich könnte nicht in der Lage sein, dir so viel zu geben.
Vertrauen ist so zerbrechlich. Vertrauen ist so wertvoll. Vertrauen bietet so viel Angriffsfläche.
Enttäuschtes Vertrauen beendet so oft, was vorher endlos schien.

Trotzdem bleibt all das im Konjunktiv.
Ich habe keine Angst.
All diese Möglichkeiten verschwinden hinter der Freunde und dem Stolz, dein Vertrauter sein zu dürfen.
Und hinter dem schönen Gefühl von Gegenseitigkeit.

Ja, ich vertraue dir auch. Wie ich glaub niemandem.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Der Wind, der Wind.

Leicht sein - federleicht, belanglos, luftig.
Sich einfach in den Sturm stellen, mitgerissen werden, mitgetragen werden, sanft geschaukelt werden. Keine Entscheidungen treffen müssen und trotzdem reisen - weitergehen, rastlos, immer in Bewegung.
Ohne Möglichkeit der Entscheidung nicht eingeschränkt sein.
Frei sein.


Es ist windig. Stürmisch.
Ich stehe am Fenster und blicke hinaus. Die Blätter werden über die Straße gewirbelt, in die Luft gehoben und sinken an anderer Stelle wieder herunter. Sie springen und tanzen und es sind so viele - sie springen und tanzen gemeinsam.
Die Bäume werden hin und her geschaukelt. Immer stärker. Bedrohlich beugen sie sich zu allen Seiten, schlagen wild mit den Ästen um sich. Alle schlagen einzeln, doch die Bewegungen des Waldes schwingen gleichmäßig.
Eine leere Coladose springt auf und ab, landet scheppernd immer wieder auf dem Asphalt. Jemand hat sie achtlos liegenlassen, jetzt übertönt sie die Geräusche des Windes.
Regen beginnt zu fallen, und auch er gliedert sich ein in die Spiele der Böen. Die Tropfen fliegen schräg durch die Luft, brauchen viel länger, bis sie am Ende auf dem Boden aufprallen.
Ein Mann rennt über die Straße, kämpft mit Kapuze und Schirm gegen den Sturm und das Wasser, das von allen Seiten auf ihn einpeitscht. Genervt fasst er nun mit beiden Händen an, um dem Wind zu trotzen. Er beschleunigt seine Schritte.
Ich stehe am Fenster. Und wünsche mir, die Arme ausbreiten zu können. Und mich tragen zu lassen.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Einfach mal Madrid.

"Und jetzt fährst du mit dem Moped nach Madrid,
Ohne Geld für Sprit,
Die Idee zählt.
Und jetzt fährst du mit dem Moped nach Madrid,
Der Junge ist verrückt,
Die Idee zählt für dich."

[Madsen]


Einfach mal ausbrechen und die Zwänge hinter mir lassen.
Einfach mal wegrennen und die Folgen nicht überdenken.
Einfach mal "einfach", so ganz ohne "aber".

Einfach mal auf die eigene Stimme hören und handeln.
Einfach mal lauter sein als alle anderen.
Einfach mal alle überraschen.

Einfach mal weniger denken und mehr fühlen.
Einfach mal weniger planen und mehr leben.
Einfach mal weniger ihr und mehr ich.

Einfach mal lächeln, ohne den Grund zu kennen.
Einfach mal fröhlich sein, ohne nachzufragen.
Einfach mal unvernünftig sein.

So einfach, geht das nicht.
So einfach, kann ich nicht.
So einfach, darf man nicht.

So einfach. Nach Madrid.

Montag, 15. Oktober 2012

Einfach fliegen.

Wie es wohl wäre, einfach zu fliegen? Frei zu sein? Freiheit zu fühlen, zu erleben, genießen zu können?
Ob das wohl geht auf dieser Erde? Kann man frei sein mit den Einschränkungen des Alltags und den Fesseln der Gesellschaft?
Jeden Tag aufstehen und dasselbe tun, ins Bett gehen und in Gedanken schon beim nächsten Morgen sein; ist das Genuss? Ist das das Leben, das uns zusteht? Uns als Individuen, als Meisterwerke der Natur, als denkende Wesen, die so viel Macht haben über sich und andere und die Welt - und doch so aufgeschmissen der eigenen Existenz gegenüber.
Wir lernen zwar den Bauplan des eigenen Körpers, wissen aber nicht, wozu dieser eigentlich fähig ist
Extremsportler sind dazu in der Lage, sie gehen bis an das Äußerste. Aber ist das nicht alles nur egoistischer Größenwahn? Was nützt das schon der Gesamtheit? Ein solcher Mensch kennt die körperliche Belastungsgrenze, weiß aber wenig von menschlichem Zusammenhalt und der Macht der Masse: Was einer nicht kann, das schaffen viele.
Und wir sind viele auf der Welt - sehr viele, zu viele. Aber erkennen tun das die wenigsten.
Immerhin sind diese Länder weit weg. Doch die Relativität der Distanzen hat sich geändert. In Nullkommanix umrunden wir unseren Planeten, Hauptsache man landet wieder zu Hause. Die Heimat soll Heimat bleiben, aber eigentlich kann sie das nicht, denn die meisten von uns sind heimatlos.
Irren herum in der Weite der Welt, kleiner noch als ein Staubkorn. Sie wissen nicht, wo oben ist und wo unten ist, und letztendlich ist das auch egal, wissen sie doch noch nicht einmal, wo sie sind.
Klammern sich an ihr Handy, als wäre genau dies die Heimat und ergoogeln sich in Sekundenschnelle die genauen Koordinaten des erkauften Zuhauses. Und das ist dann Heimat.
Ein Klick ersetzt eine Fülle der Gefühle. Ein Klick ersetzt Gedankengänge, die ganze Tage füllen könnten.
Doch dazu bleibt keine Zeit. Wichtige Termine warten; jeder einzelne Teilnehmer rennt zum Meeting, die Maske der Höflichkeit wird herausgeholt. Keiner meint sich ernst und jeder weiß das, merkt es aber nicht, weil das Bewahren des eigenen falschen Lächelns alle Konzentration fordert.
Eine trostlose Welt der Höflichkeit im trostlosen Alltag - alles aufgesetzt.
Wen wundert es da, dass im eigenen Reich alle Masken fallen und das wahre Gesicht zum Vorschein kommt?
Doch auch das hat gelitten unter all den Kostümen; so wurde es grausam und gefühllos zugleich. Oder ist auch das nur ein falsches Gesicht?

Und Freiheit bedeutet gar nicht zu fliegen, weil für Träume kein Platz bleibt im Alltag des Funktionierens, sondern Freiheit bedeutet, eine Vielzahl an Masken zu haben und dadurch sein eigenes Gesicht zu verlieren.

Freitag, 5. Oktober 2012

Anekdoten des Aufräumens.

Ich räume um, ich räume aus; sortiere neu und sortiere aus.
Alte Erinnerungen kommen dabei hoch. Dinge, dich ich längst vergessen habe, wollen mir nun ihre Geschichten wieder erzählen. Manchen höre ich zu, verfalle in Tagträume und Schwärmereien.
Aber auch Bedrückendes kommt in den hintersten Ecken meines Zimmers zum Vorschein: Briefe, die Gefühle wecken, die schon verdrängt waren; Erinnerungen an Freundschaften, die nicht mehr existieren.
Doch selbst aus diesem kann ich heute Positives ziehen. Mir fällt die Entwicklung auf, die Verbesserung, die sich in den letzten Jahren in mein Leben geschlichen hat. Ganz leise, fast unmerkbar. Nur durch Vergleiche mit dem Ich von damals werden die Unterschiede deutlich.

Vom Boden meines Kleiderschrankes krame ich meine alte Lieblingsjeans. Ausgewaschen und mit Löchern, teilweise genäht, teilweise nicht.
Ich hätte sie am liebsten jeden Tag getragen und das sieht man ihr an. Heute wusste ich nicht mehr, dass es sie jemals gab.
So viel habe ich in dieser Hose erlebt; Erfahrungen gemacht, Fehler begangen, Tränen geweint und unendlich viel gelacht. So viel davon weiß ich nicht mehr. So viel davon war damals die Welt für mich und ist heute nichtig.
Ich werde sie nicht mehr tragen. Die Zeiten sind vorbei. Neue Gefühle, neue Erkenntnisse, Entwicklung und neue Jeans.
Ich stopfe sie in die Mülltüte. Und lächle. Das heißt Veränderung.

Andere Kleidungsstücke folgen. Die Säcke füllen sich.
So viel ausgegebenes Geld landet darin. Einiges, wofür ich auch jetzt sicher noch welches bekommen würde. Und trotzdem verzichte ich darauf.
Weil es nicht nur Stofffetzen sind, sondern Teile meines Lebens. Ich will sie nicht weiterreichen, genau wie meine Erfahrungen nicht von einem Zweiten nachgelebt werden.

Und weil ich sehen will, wie all das im Müll verschwindet. Wie der Abschnitt endet; sich das Kapitel endgültig schließt.
Ein Neuanfang. Der schon längst begonnen hat.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Zersplittert.

Ich stehe vorm Spiegel und schaue mir in die Augen.
Wut überkommt mich.
Der Drang, etwas in das reflektierende Glas zu werfen, damit es bricht.
Damit alles in tausend Scherben zerfällt
und ich sehe, dass etwas noch zerbrechlicher ist als ich.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Welten verschweigen.

Wir alle haben Geheimnisse.
Du hast Geheimnisse vor mir. Dinge, die du mir nicht erzählst, die tief in dir sind und nicht rausgelassen werden. Geschichten, für die das Vertrauen noch nicht ausreicht. Erlebnisse, die ich nie erfahren werde. Einiges verschweigst du mir bewusst; anderes steckt im hintersten Winkel deiner Persönlichkeit - unsichtbar für jeden.
Und genauso habe ich Geheimnisse vor dir. Etwas, das ich dir nicht erzähle. Wovon ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst; Angst habe, was es zwischen uns verändern würde. Dinge, für die die Zeit noch nicht reif ist; für manche wird sie es nie sein.

Ich weiß nichts von deinen und du nichts von meinen. Sie stehen einseitig zwischen uns.
Wenn ich auf dich blicke, sehe ich meine Geheimnisse. Sie erschweren mir die Sicht, lassen nicht zu, dass ich dich in all deinen Facetten sehen und mich dir endlos hingeben kann.
Doch für dich sind sie nicht da. Für dich existieren sie nicht. Dein Blick ist uneingeschränkt.
Wären da nicht deine eigenen Geheimnisse. Ob es so viele sind, dass du nicht einmal meinen Umriss erkennst, oder so wenig, dass du ohne große Mühe daran vorbeischauen kannst; ob sie groß sind und du ständig daran denkst oder klein und nichtig. Das weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass sie vorhanden sind. Weil sie das bei jedem sind. Und wegen der kleinen Momente, wo du mir auf eine Frage nur ausweichend antwortest. Wo ich merke, dass du noch viel mehr sagen könntest, dir die Worte aber nicht über die Lippen kommen. Weil alles noch nicht ausgereift ist. Die Worte nicht und unser Vertrauen nicht.
Da ist noch so viel Luft nach oben. So viel, was gesagt werden kann. So viel in Erfahrung zu bringen.

Aber was wird es ändern, wenn alle Geheimnisse weg sind, alle ausgesprochen und aufgelöst? Wenn da nichts mehr zwischen uns steht, wenn wir beide uns ohne Grenzen sehen können, uns ohne Grenzen nahe sind.
Wollen wir uns dann überhaupt noch nahe sein? Wenn wir alles voneinander wissen? Wenn keine Entwicklung mehr möglich ist? Wenn auch das Negative gesagt ist?
Könnten wir damit leben, zu erfahren, was uns bis jetzt verschwiegen wurde?

Bis zu welchem Punkt gehören Geheimnisse dazu? Ab wann müssen sie gelüftet werden? Bis wann sind sie legitim? Müssen sie vielleicht sogar sein?

So viele geheime Fragen. So viel Unwissen. So viel Unsicherheit.
Was, wenn ich es dir erzählen würde?
Und wie viel von dir kenne ich nicht? Vielleicht den größten Teil.

Montag, 1. Oktober 2012

Zeitbombe.

Die Zeiger der Uhr drehen sich rasend schnell. Und dabei dreht sich alles um die Zeit.
Überall, wo man hinschaut, wird von ihr gesprochen, wird sich nach ihr gerichtet, wird nach ihr gelebt.
Die Zeit bis zum nächsten Termin wird abgeschätzt.
Ist es einer, auf den man so gar keine Lust hat, den man am liebsten nie erleben würde, so wird versucht und gehofft und gebetet: "Ach, kann die Zeit nicht langsamer vergehen!"
Aber nein, sie tut es nicht. Die Zeiger drehen sich weiter; dem gefürchteten Moment mit jedem Ticken näher.
Freut man sich auf ein Vorhaben, wird begierig auf das Ziffernblatt der Uhr geschaut. Auch hier wird versucht und gehofft und verzweifelt gebetet: "Ach, kann die Zeit nicht schneller vergehen!"
Aber nein, auch das tut sie nicht. Alles geht weiter seinen gewohnten Gang, der plötzlich viel zu langsam erscheint. Und alles dreht sich weiter um die Zeit.
Um das Zählen einzelner Stunden, Tage, Wochen bis zum ersehnten Termin.

Bei so viel Nachdenken über die Zeit bleibt für nichts Anderes mehr Zeit.
Keine Zeit für Pausen.
Keine Zeit für Freizeit. Alles nur überfüllte Vollzeit.
So viele Termine wie nur möglich werden in die 24 Stunden des Tages gesteckt. Und trotzdem wird die angebotene Zeit selten sinnvoll genutzt:
Eine Diskussion mit Klassenkameraden oder Arbeitskollegen, bei der am Ende das einzige Ergebnis ein neu vereinbartes Treffen ist.
Ein Treffen mit Freunden und solchen, die sich dafür halten, was du aus Höflichkeit nicht abgesagt hast, obwohl du viel lieber alleine wärst.
Oder Unterhaltungen mit Nachbarn und anderen Mitmenschen, an denen du weniger interessiert bist, die sich  aber einfach nicht beenden lassen.

Wie oft guckst du am Tag auf die Uhr?
Wie oft denkst du dabei "scheiße", wie oft verfluchst du die Zeit, wie oft merkst du, dass du viel zu spät dran bist, aufgehalten wirst, das rechtzeitige Einhalten von abgemachten Zeiten unmöglich wird?
Du hast dir morgens zu viel Zeit gelassen - mit was genau, weißt du gar nicht mehr - und verpasst nun deine Bahn. Die sich gerade heute natürlich pünktlich an ihren Fahrplan hält.
Du standest gerade 10 Minuten im Regen am Bahnhof, weil der öffentliche Nahverkehr das mal wieder nicht so genau nimmt mit den Zeiten. Und schlussendlich sitzt du nun doch im Trockenen, schaust abwechselnd aus dem Fenster und deine Uhr: Klitschnass und zu spät wirst du bei deiner Arbeitsstelle sein.
Du hast nicht gedacht, dass der Termin beim Arzt so lange dauern würde, und der nächste Punkt auf deiner Tagesordnung wartet schon. Genervt im Wartezimmer sitzend denkst du schon über passende Ausreden für die im Restaurant wartende Freundin nach.
Morgen muss das Referat gehalten werden, was du ganz vergessen hast. Nun ist es 22 Uhr.

Du stehst unter Zeitdruck. Immer.
Immer wenn du auf die Uhr schaust, und anfängst, zu rechnen.
Immer wenn du die Zeiger anflehst, sich doch langsamer zu drehen.
Immer wenn du denkst: "Scheiße, schon so spät!"

Und immer dann dreht sich gar nichts langsamer. Du bist nur ein winziges Fleckchen auf der Erde.
Ein Tag vergeht, egal ob du die 24 Stunden genutzt hast oder nicht.
Ob du noch weitere 24 Stunden anhängen könntest, weil du immer noch nicht alles geschafft hast. Oder ob du schon nach 3 Stunden den Tag verflucht hast und zurück ins Bett gekrochen bist.

Was für ein Zeitvertreib, wenn sich alles um die Zeit dreht!




Na, was hättest du jetzt Besseres mit deiner Zeit anzufangen als über die Zeit zu philosophieren? 
Was verschiebst du gerade, wofür jetzt eigentlich genügend Zeit wäre?

Sonntag, 30. September 2012

Einfach so drauflosgelebt.

Man muss ja nicht immer alle Konsequenzen überdenken!
Man kann ja auch einfach mal nur so drauflosleben.
Einfach das tun, worauf man Lust hat.
Was man machen möchte.
Mit dem Herzen entscheiden, den Verstand ausschalten.

Gefühle vor Hausaufgaben.
Freizeit vor Schule.
Spaß vor Pflichten und
Individualität vor Normen.

"Es ist mir egal, was die anderen denken!"
Versuch, dir darüber im Klaren zu sein.
Versuch, genau das auch zu leben.
Die Anderen denken eh, was sie wollen.
Wenn sie dich scheiße finden wollen, finden sie dich scheiße. Selbst wenn du genau das tust, was ihnen gefällt.
Und wer dich toll findet, findet dich auch noch toll, wenn du deine eigene Meinung hast.

Du kennst die Theorie. Und trotzdem kommen immer wieder diese Zweifel an. Flüstern dir ins Ohr, hindern dich daran, auf dein Herz zu hören.
Das Allgemeine trifft die Entscheidungen für dich.
Deine Angst handelt in deinem Sinne.
Sie übertönen dein Herz und deine eigene Meinung.
Sie übertönen dich mit all dem, was dich ausmacht.

Aber lass sie nicht immer gewinnen!
Es gibt noch mehr in dir, was dich lenken kann.
Befrei deinen Kopf, befrei dich von all dem Zweifel.
Sei ganz ruhig und hör auf dein Herz, wie es ganz leise flüstert:
"Du bist toll, du machst das gut!"

Samstag, 29. September 2012

Wir-Gefühl.

Leidenschaften leben.

Gefühle teilen.
Miteinander jubeln und miteinander weinen.
Miteinander gewinnen und miteinander verlieren.
Niemals allein sein.
Niemals ungewollt sein.

Gemeinschaft leben.

Ein großer Chor.
Gemeinsam singen.
Gemeinsam brüllen.
Jeder kennt den Text, jeder gehört dazu.
Auf keinen kann verzichtet werden, keiner ist zu viel.

Spannung fühlen.
Zusammen hoffen.
Zusammen zittern.
Enttäuschungen treffen alle gleich.
Erleichterung wird Massen-Gefühl.

Auch aus Negativem ziehen wir Positives.
Denn selbst die tiefste Trauer wird zu einem schönen Gefühl, wenn jemand da ist, der dasselbe empfindet.
Wenn Tausende da sind, die dich verstehen.

Weil nichts Anderes zählt.
Dein Name ist egal, wenn du für meinen Verein bist.
Deine Herkunft ist egal, wenn du heute hier bist.
Wissen reduziert auf das Nötigste.
Ein Individuum wird zum Teil der Masse.

Und wenn du nach Hause gehst, ist all das vorbei.
Dann bist du wieder du selbst, in all deinen Facetten.
Und die Gemeinsamkeiten mit 50.000 anderen sind nur noch minimal.

Das ist Fußball.
Das ist ein Tag im Stadion.
Das ist Liebe.

Donnerstag, 27. September 2012

Was man im Wartezimmer so liest.

 I am what I am and I do what I do.
Oh yes, of course, Mann mit Rauschebart.
Aber ja, vielleicht tust du das. Ich weiß es nicht. Weißt du es, Mann mit Rauschebart? Weißt du, wer du bist? Stehst du zu dir und deinen Taten (das sagt dein T-Shirt scheinbar aus).
Ja, vielleicht. Vielleicht bist du in deinem Herzen unter dem grünen T-Shirt ein Rebell, hältst dich nicht an Regeln und Normen. Demos, Drogen, Alkohol. Anti-autoritär. Individuell.
Und selbst wenn du nicht einmal bei Rot über die Ampel gehst, weil es gegen deine Moralvorstellungen widerspricht, kann doch gerade dies genau das sein, was du tust. Und tun willst.

Und auch der Teenager trägt ein grün/türkises Sweatshirt. Die Farbe scheint in zu sein; offensichtlich ein Trend, den ich gerne auslasse.
Auf seinem Oberteil steht allerdings keine so philosophische Botschaft. Stattdessen Werbung. In großen Lettern, überdeutlich, prangt die Marke auf seiner Brust.
Tust du auch, was du willst, Junge mit Jakob & Johannes Pullover? Ist es das? Gefällt der Schriftzug dir so sehr, dass du genau dieses Sweatshirt ausgesucht hast? Oder hast du ihn dir ausgesucht, weil er so vielen anderen gefällt? Weil es was Besonderes ist, so geniale Markenware zu tragen. Damit jeder auch gleich weiß, wem du dein Geld in den Pullover schmeißt. Wie so viele andere auch. Weil es ja was Besonderes ist.
Aber auch an dieser Stelle sollte ich vielleicht weniger ironisch sein. Denn weiß ich, ob du nicht bewusst gerade für diese Marke Litfasssäule spielst? Vielleicht gefällt dir das Konzept der Firma so besonders. Oder dein Vater arbeitet dort. Oder aber du heißt vielleicht Jakob Johannes und machst dir einen Spaß daraus, ein Namensschild zu tragen. Was in der Öffentlichkeit keinem auffällt, deine vergesslichen Freunde aber immer wieder an deinen langen und komplizierten Namen erinnert.

Bei der nächsten Person muss ich leider gestehen, dass ich aufgrund der gekrümmten Sitzhaltung die aussagekräftige Botschaft nicht bis zum letzten Wort lesen kann. Und trotzdem gehe ich darauf ein. Das ist natürlich unkorrekt und unvollständig. Immerhin kenne ich die vielleicht alles umschmeißende Pointe am Satzende nun nicht.
Lassen wir alle Zweifel beiseite: „The silent beauty take a …“  Das steht da. Wobei die Punkte durch kreative Einfälle ersetzt werden dürfen. Mir fällt ehrlich gesagt nichts ein.
(Jetzt weiß ich übrigens auch, warum meine Englisch-Nachhilfe-Schüler so viele Problem mit dem s im simple present in der 3. Person singular haben - oder anders ausgedrückt mit dem „he, she, it - das s muss mit“ -, wenn das selbst die chinesisch / bangdladeschische T-Shirt-Herstellung nicht hinbekommt!)
Na gut, kommen wir zu der stillen Schönheit zurück. Die stille Schönheit ist eine ältere, etwas korpulente Frau mit Brille und mittellangen Haaren.
Schönheit liegt sicherlich im Auge des Betrachters und was stille Schönheit ist, weiß ich auch nicht ganz genau, aber in meinen Augen ist diese Schönheit in dem weiß/beige/rosanen Shirt mucksmäuschenstill.
Ja, die Farbkombination hört sich nicht nur gewagt an. Sie ist es auch. Zumindest in meinen inkompetenten Augen; das mir bekannte Farbspektrum reicht nämlich sehr zur Belustigung meiner weiblichen Freunde nicht weit über die Grundfarben hinaus. Ob ein grün wald-, gras- oder moosfarben ist, kann ich nicht feststellen. Und welche Farbe Lachse, Beeren und Wein haben, weiß ich auch nicht ganz genau.
Die mucksmäuschenstille Schönheit hat sich übrigens, während ich mir über Farben Gedanken machte, aus Ärger über die langen Wartezeiten beim Arzt genervt gestreckt. Dabei konnte ich das Rätsel lösen. Ich weiß jetzt, was die stille Schönheit nimmt: the best of life!
Erklärungen kann ich dazu leider nicht abliefern, außerdem habe ich jetzt schon ganz schön lange über ein unvollständiges T-Shirt philosophiert, daher belasse ich es dabei. Und hoffe, demnächst an der Reihe zu sein.

Denn die Sprüche gehen mir aus! Die übrigen Wartenden sitzen entweder in ungünstiger Position zu mir oder tragen - möglicherweise bewusst, um den Peinlichkeiten zu entgehen - einfarbig.

Mittwoch, 26. September 2012

Hür, den Lauf!

Hürden
stellen sich in meinen.
Weg

Alle 
die es gibt - nur zu!
nehm ich doch gern

Weil 
gerade Strecken
mich nicht fordern

Ich.
laufe den 
Parkour

so wie er ist

Ich
durchquere ihn -
in meinem Tempo

Weil 
Schnelligkeit.
mich stürzen würde

Alle
anderen rennen
rasend - ruhelos

Hürden
die nur ich sehe
- Ach, denkt doch, was ihr wollt! 
Ich weiß ja, wo ich steh!

Donnerstag, 20. September 2012

Phrasenfresser.

Kümmer dich doch mal mehr um dich!
Ist so leicht gesagt.
Aber wirklich: Setz dich doch mal hin und frag dich:
„Hallo Ich, wie geht es dir?“
Und wenn du dir dann antwortest
„Ja ja, danke, gut, alles bestens“, dann warte ab, gib dich nicht mit den auswendig gelernten Phrasenschwein-Fragenbeantwortungs-Phrasen ab. Friss nicht alles.
Das Antworten auf die Frage nach dem Befinden ist automatisiert. Du denkst gar nicht nach; der Inhalt des Satzes dringt gar nicht zu dir durch.
Es ist stupides Aufsagen. Wie bei der Theorie-Prüfung für den Führerschein, wenn du denn gelernt hast:
Aha! Die Frage. Also die Antwort.
Wie geht’s? - Bestens.
Darf ich mich setzen? - Klar.
War ich gut? - Und wie!
Hattet ihr Hausaufgaben auf? - Nöö.
Störe ich? - Überhaupt nicht.
Auszüge aus dem Fragenkatalog des Lebens, Lektion zwischenmenschliche Alltags-Heuchelei.

Du gehst davon aus, gar nicht ehrlich antworten zu müssen.
Du gehst davon aus, ruhig bei den nichtssagenden Phrasen bleiben zu können.
Schließlich ist nicht nur die Antwort, sondern auch die Frage Teil der Alltagsheucheleimaskerade.
Menschen fragen nach deinem Befinden, weil es dazugehört. Steht in den Spielregeln.
Begrüßung. Wie geht’s? Das Wetter ist schön. Ich hasse dich. Ich hasse mich. Du interessierst mich nicht.
Die Phrasen versuchen, die darunter liegende Verachtungs- und Gleichgültigkeitsrealität zu überdecken. Wie ein Kissenbezug einen Zweimetermann.
Es passt nicht.
Es ist lachhaft.
Es ist unnötig.
Jeder weiß es, jeder tut es, beteiligt sich am Heucheleien-Hechel-Konzert.
Warum auch nicht? Ist schließlich so einfach.
So normal.
So muss es sein. So ist es halt.
Nicht zu ändern. Nichts zu machen. Nichtigkeiten werden weiter ausgetauscht. 

Austauschbare Sätze, austauschbare Gesprächspartner, austauschbare Welt.

Doch, kümmer dich ruhig mal mehr um dich! Wenn es schon kein anderer tut.
Denk darüber nach, was die Frage bedeutet, wenn du sie dir stellst.
Jemand will wissen, wie es dir geht. Wie du dich fühlst. Was dich beschäftigt. Was du zu sagen hast. Was du loswerden willst.
So viele Möglichkeiten, zu antworten, so wenig werden ausgesprochen.
Aber bei dir selbst kannst du sicher sein. Lass raus, wer du bist. Lass raus, was du fühlst.
Geht es dir gut?
Ja, geht es mir gut?
Was brauche ich eigentlich? Wonach sehne ich mich? Wie kann ich mir helfen? Ist mir noch zu helfen?
Wenn dir kalt ist, zieh dir mehr an.
Wenn du Hunger hast, iss.
Wenn du nicht mehr kannst, gönn dir Pausen.

Das Phrasenschwein schmeißt vielleicht weiter mit Phrasen um sich; sagt:
Wer bei dem Wetter friert, ist ein Weichei.
Du bist eh schon zu dick.
Nur die Leistung zählt. Du verpasst noch so zu viel.

Lass es doch reden. Lass es sich im Gleichgültigkeitsschlamm suhlen. Lass es. Bleib lässig.
Wer werten will, muss denken können.
Wer über dich richten will, muss dich kennen können.
Allgemeingültige Phrasen verallgemeinern mir zu viel. Sind mir zu schwammig. Sind mir zu inhaltslos.
Los, kümmer dich doch um dich selbst!

Tut ja sonst keiner.
Wird ja nur gemaskeradet und gescheinheiligt.
Alles Lügner. Alles Schweine.
Nur ich,
Ich bin toll!

Dienstag, 18. September 2012

Niemand tut so gut.

Wie sich plötzlich alles nur noch um dich dreht.
Wie ich jedes Wort, jeden Geruch, jede Situation auf dich beziehe.
Jeder Gedankengang führt am Ende doch wieder nur zu dir.
Und landet direkt im Bauch.
Schmetterlingsglücksgefühl.
Grinsen-auf-den-Lippen-in-den-unpassendensten-Momenten.

Wie Liebeslieder und Liebesgedichte plötzlich ein Gesicht bekommen.
Plötzlich glaubhaft werden und nicht weit entfernte Utopie.
Nicht mehr das, was schmerzt, weil es so unmöglich scheint.
Sondern nur ein neuer Auslöser, dein Lächeln vor mir zu sehen.
Gedanklich in deinen Augen zu versinken.
Meine Arme um dich zu legen.
Bei dir zu sein.

Wie ich stundenlang dein Foto ansehen kann.
Und immer lächeln muss.
Stundenlang nur glücklich sein, stundenlang nichts Anderes tun.
Weil du genug bist. Für so lange Zeit.
Und mir mit dem Gedanken an dich nicht langweilig wird.
Dein Foto sich vor meinem Auge bewegt,
die Szene weiterläuft.
Und du lebendig bist.

Wie ich mich immer wieder frage, ob das Liebe ist.
Dass alle meine Gedanken bei dir enden.
Du mich in jeder Situation glücklich machst,
In meinen Augen so perfekt bist.
Und dass meine Wünsche und Träume und Hoffnungen
alle dich beinhalten.

Wie ich die Welt umarmen könnte.
Aber nur dich dabei berühren will.
Wie das Du in meinem Kopf widerhallt
und dabei unglaubliches Glück freisetzt.

Der Text - ein einziger großer Grinsemoment.
Weil ich dich liebe.
Vielleicht.

Montag, 17. September 2012

Stumme Worte.

In einem unvollendeten Satz geht so viel unter.
So viel Unausgesprochenes, was selbstverständlich scheint. So viel abgebrochener Gedankengang, der nun im Wortlosen zerfällt.
So viel. Was doch eigentlich noch gesagt werden könnte.

"Ich hab zwar keine Lust, aber - "
Aber ich muss. Das ist das, was alle denken sollen. Wie man den Satz kurz und vielleicht sinnvoll beenden kann.
Aber hinter das Aber könnte noch so viel mehr passen. Eine Erklärung. Gefühle. Ein ganzes Leben.

"Ich hab zwar keine Lust, aber jeder erwartet es von mir; und ich will Erwartungen nicht enttäuschen, dann fühle ich mich schlecht; ich habe Angst, zu versagen, und ich habe Angst, zusammenzubrechen; egal, was ich mache, ich komme so schnell an mein Ende: Entweder enttäusche ich die stummen Erwartungen der anderen oder ich übersteige meine eigenen Grenzen. Die ich nicht einsehe."

So unendlich viel Ehrlichkeit. So unendlich viel Leben.

Was alles unausgesprochen bleibt - es ist unglaublich!
Es bevölkert die Welt, schwirrt um alle Menschen herum.
Das Gute ist, dass wir die Augen davor verschließen. Wir wollen es nicht sehen. Wir können es nicht sehen. Es würde uns überwältigen. Es wäre zu viel für die zerbrechlichen Menschen, die wir alle sind.

Einige sind aber zerbrechlicher als andere. Sie spüren Spannungen, sie spüren die unausgesprochenen Worte, wenn sie ganz leise versuchen darauf aufmerksam zu machen, dass sie noch da sind; dass man sie nicht vergessen sollte.
Und diese Personen können die Augen nicht verschließen. In jedem Satz hören sie auch das, was nicht gesagt wird; was aber trotzdem mit jedem Wort aus dem Mund des Gesprächspartners dringt.

In unvollendeten Sätzen umso mehr.

Mittwoch, 12. September 2012

Ich bring dich um!

Manchmal würde man am liebsten töten.

Mitmenschen, die nerven, die damit nicht aufhören, die deine Geduld auf eine harte Probe stellen.
Aber manchmal will man auch anderes töten.

Manchmal würde man am liebsten einen Tag töten. Beseitigen. Aus dem Kalender streichen. Aus dem Gedächtnis aller Menschen löschen.
Wenn man Angst vor dem Tag hat, weil Neues, Aufregendes, Beängstigendes ansteht.
Oder weil man den Tag vermasselt hat.

Weil alles falschgelaufen ist, was falschlaufen kann.
Man jeden Fehler begangen hat, der sich einem anbot.
Weil man die falschen Entscheidungen getroffen hat. An der falschen Stelle. Zur falschen Zeit.

Der Tag beginnt im Bett mit der ersten Frage: "Aufstehen oder liegenbleiben?"
An solchen Tagen, die du im Nachhinein töten möchtest, hast du dich wohl für die erste Möglichkeit entschieden. Du hast dich aufgerafft, in den Alltagstrott eingereiht, wie ein Roboter funktioniert, auch wenn der Körper vielleicht dagegen rebellierte.
Andere würden sagen, du seist mit dem falschen Fuß aufgestanden.
Vielleicht haben sie recht.
Der falsche Fuß war in dem Fall überhaupt ein Fuß. Der Fehler, den Boden an diesem Tag überhaupt zu berühren.

Wenn man abends - oder auch nachmittags, sofern man den Tag schon vor dem Einbruch der Dunkelheit für sich als beendet erklärt hat - zurück ins Bett kriecht, lassen sich die Worte, die Taten, die Entscheidungen und die Fehler der letzten Stunden nicht mehr ändern.
Das Einschlafen wird von Grübeleien verhindert.
"Was wäre wenn ... ?"
"Warum bin ich heute morgen nicht einfach liegengeblieben?"

Niemand weiß, was gewesen wäre. Es gibt nur die eine Realität.
Wärst du nicht aufgestanden, was hättest du nicht alles verpasst - Erfahrungen, ein nettes Wort; Dinge, an die du vor lauter Fehlern jetzt gar nicht mehr denkst!
Du lägest abends mit denselben Fragen wach im Bett.
"Was wäre wenn ... ?"
"Warum bin ich heute morgen nicht einfach aufgestanden?"

Du kennst keine zweite Realität.
Du kannst dich nicht umentscheiden.
An die Zukunft zu denken, würde mehr bringen.

Also bleibt nur die Wut, der Hass;
Der verzweifelte Wunsch, den Tag zu töten.


"I took the wrong road
That led to the wrong tendencies
I was in the wrong place at the wrong time
For the wrong reason and the wrong rhyme
On the wrong day of the wrong week
I used the wrong method with the wrong technique"

[Depeche Mode]

Montag, 10. September 2012

Im Matsch untergehen.

Ich stochere in dem zähflüssigen Matsch.
Versuche, ihn zu zusammenhängen Klumpen zu formen. Klumpen mit Aussagekraft. Klumpen, die nach etwas aussehen.
Die Konzentration und der Wille kämpfen gegen die Soße in meinem Gehirn.
Die Kraft der Gedanken kann Sinnvolles aus dem Inhalt ziehen.

Doch heute nicht.

Heute gleitet der Matsch immer wieder durch die Finger des Willens. Es gelingt mir nicht, zuzupacken.
Jedes Mal, wenn ich die Hand schließe, drücke ich damit den gesamten Inhalt wieder raus. Zurück in die Brühe, wo sich alles vereinigt.

Es ensteht kein einziges Fantasiegeschöpf. Kein Drache, kein Fabelwesen. Noch nicht einmal ein einfaches Gefäß will zusammenhalten.

Ich fühle mich zurückversetzt in die fünfte Klasse. Kunstunterricht. Tonarbeiten.
Mein Drache glich mehr einer unförmigen Kugel.
Und die Vase, die wir unseren Eltern schenken sollten, hätte eher als Sieb getaugt.

Malen, basteln, bauen.
All das war mir immer fremd. Meine Hände wollten nie so wie ich; konnten nie die großen Pläne umsetzen, die ich aufstellte.

Heute versagen nicht nur die Hände, sondern auch die Konzentration. Mein Material ist kein Ton, sondern mein Gedankengut.
Ich weiß, Lösungen zu allen möglichen Fragestellungen und Problemen befinden sich in dem zähflüssigen Matsch.

Doch ich kann sie nicht fassen.

Jeder Ansatz gleitet mir wieder aus der Hand und wenn ich am Ende bastele, ist der Anfang schon wieder in der Masse untergegangen.
Zusammenhänge sind nicht zu erkennen.

Jedes Mal, wenn ich aufs Neue anfange, durch den Matsch zu wühlen, beginnt mein Kopf wehzutun. Es scheint, als würde er sich gegen die Eingriffe meines Willens wehren.

Der Matsch muss unangetastet bleiben.
Der Sandburgenbau muss warten. Dazu ist die Konsistenz heute nicht die richtige.

Vielleicht ist morgen Zeit für die Burgfräuleins und Ritter und Feuerdrachen.
Und vielleicht kann dann auch mein Wille die Unordnung in meinem Geist entwirren.

Montag, 3. September 2012

Rausgekotzte Emotionenflut.

Alles auskotzen.
Rausschreien.
Loswerden.

Die Klappen lösen, die den Wort- und Gefühlsschwall noch zurückhalten.
Alles öffnen.
Alles auf einmal, raus!

Die wohlgeordneten Satzstrukturen werden nicht mehr eingehalten. Die Flut der Emotionen überflutet auch die vernünftigen Versuche, nachzudenken und Worte zu ordnen.
Abgehackt.
Worte, zusammenhangslos.
So wie sie im Inneren auftreten. Gemischt. Durcheinander.

Chaos.

Und wer bekommt es ab?
Der, der deine Schreie hört?
Der, der deine Tränen stillt?
Der versucht Ordnung in deinen Wortschwall zu bringen und dabei selbst ins Ungleichgewicht gerät?
Der alles auf sich nimmt und unter der Last zerbricht?

Der dann alles in sich hineinfrisst, die Klappen verschließt.
Und in ein paar Wochen wird der Kreislauf von vorne beginnen.
Auch der wird platzen, der die Fetzen deines Lebens aufgesammelt hat.

Alles auskotzen.
Auf ein Neues.

Donnerstag, 30. August 2012

Lachenfragenkämpfenwachsen.

Kinder lachen. Brüllen. Rennen durch den Garten.
Kinder leben.

Kinder
reichen mir bis zum Bauchnabel.
Um Zentimeter kleiner, um Erfahrungen ärmer.

So wenig in ihren runden Kugelköpfen.
Und doch stellen sie so viele
Fragen.

Fragen, die die Welt erklären.
Antworten, mangelhaft.

Die ehrlichsten der Philosophen.
Naiv und doch nicht
dumm.

Jung, zerbrechlich.
Weltverbesserer, Superhelden, Menschenretter,
Ehrlichkeitsgewinner.


Kleiner Entdecker,
wo willst du hin?

Träumst von der Welt der Erwachsenen,
ohne sie zu kennen.
Leben - ohne um acht ins Bett.
Leben - genug Geld für alle Spielzeugautos.
Leben - unbeschwert.

Ob wohl,
in ein paar Jahren,
wenn du merkst, dass die Fragen, die du heute laufend stellst,
im Sande verlaufen,
dein Entdeckerfreudengeist versiegt?

Wirst du,
während du heute mit Holzschwertern jeden Streit auskämpfst,
in ein paar Jahren,
vor Liebeskummer und Einsamkeit
in Dunkelheit versinken?

In ein paar Jahren,
die dir heute wie millionentrilliardenmegavieltausend vorkommen,
wirst du die Zeit mit anderen Augen sehen,
werden Tage viel schneller vergehen,
wird der Gedanke an morgen immer gegenwärtig sein.


Was wohl aus dem starken Ritter in
Undurchdringbar-Stoff-Kettenhemd
geworden ist,
der jetzt Texte schreibt und Kinderlachen lauscht,
in den paar Jahren?

Mittwoch, 29. August 2012

Seltsam, im Nebel zu wandern.

So vieles hängt unausgesprochen zwischen uns wie eine Wand aus Nebel.
Ich kann dich zwar sehen; weiß, wo du stehst. Aber die Details bleiben verborgen. In deine Augen kann ich nicht blicken; weiß nicht, wie es dir geht.
Drehst du mir den Rücken zu oder ist das deine Vorderseite?
Lachst du? Redest du? - Deine Worte dringen nicht durch den dicken Schleier aus grau.

Und jeden Tag wird der Nebel dichter.
Immer wieder rufe ich mir die Erinnerungen an dich in den Geist. Deine Haare. Deine Augen. Deinen Mund, wenn du lächelst. Ich will es nicht vergessen. Werd ich es je wieder sehen?
Wird die graue Wand sich je wieder lichten?
Werden wir aus den ungeordneten, niemals benutzten Worten Sätze formen können und einander wieder erkennen?

Ich versuche es.
Immer wieder greife ich planlos in den Schleier, picke Worte heraus, versuche Texte zu bilden, Gedanken zu formen:
Einsamkeit
Angst
Verlust
Dankbarkeit
ich
du 
wir
Freundschaft
Sehnsucht
miteinander
auseinander
Labyrinth
Weiterentwicklung
Akzeptanz
Hoffnung

Eine Kollektion dessen, was ich schon aus dem Nebel gefischt habe. Empfindungen, Pronomen, Adjektive. All das muss verknüpft werden, es muss Sinn machen, es muss etwas aussagen; stark sein und doch nichts auslassen.
Jedes Mal gebe ich resigniert auf.
Immer wenn ich ein Wort in der Hand halte und versuche, damit etwas anzufangen, merke ich gleichzeitig, wie sich der Schleier mit neuem Unausgesprochenen füllt.

Wir reden nicht.
Die Worte wollen sich nicht zusammensetzen lassen. Sie ergeben Sinn, aber klingen so leer. So falsch. So nichtssagend.

Dabei könnte es so einfach sein:
Ich danke dir für die Zeit, die wir hatten. Ich sehne mich danach. Nach dir, nach uns. Fühle mich einsam, weil das 'ich' ohne 'wir' steht. Wir verlieren uns, immer weiter, im weit verzweigten Labyrinth des Lebens. Jeder geht seinen eigenen Weg, nicht mehr miteinander. Wir entwickeln uns weiter, in unterschiedliche Richtungen. Die Zeit reißt uns auseinander, wir reißen uns selbst auseinander. Das akzeptiere ich. Trotzdem bin ich traurig darüber. Ich vermisse die wundervolle Zeit mit dir.
Ob sich unsere Wege wohl jemals wieder kreuzen werden? Ob ich es hoffen sollte? Oder würde das eh nichts bringen?

Wir haben uns nichts zu sagen, obwohl doch fast alles unausgesprochen ist.


"Und manche waren nie mehr gesehen.
Und ich frage mich, wo sie heut sind.
Auch wenn ich uns manchmal vermiss,
Es war gut wie's war, und es ist gut wie's ist.

Denn es gibt kein gemeinsames Ziel.
Jeder geht seinen eigenen Weg.
Wir nehmen's hin, bleiben stumm dabei,
Weil uns nichts anderes übrig bleibt."

[Die Toten Hosen]

Mittwoch, 22. August 2012

Unendlich glückliche Spielchen.

Unter mir der Asphalt.
Neben mir Bäume. Rechts. Links.
Ich rausche an der Welt vorbei.
Rechtskurve.
Linkskurve.

Der Wind versucht mich nach rechts zu drängen, aber ich lasse mich nicht bewegen. Ich will geradeaus - dem Straßenverlauf folgen -, da hat niemand anderes gegen mich zu sein.
Trotzdem lasse ich mich auf das Spiel der Böen ein. Ich drehe mich nach rechts, tue so, als würde der Wind neben dem tosenden Rauschen der Blätter auch mich bewegen können.
Doch kurz darauf greife ich an: Fahre ganz bis auf die linke Straßenseite.
"Gewonnen!", lache ich in das Nichts hinein.
Ich grinse und euphorisiert von meinen Spielchen mit dem unsichtbaren Partner gebe ich noch mehr Gas.
Zwar hat mein Körper schon vor einigen Kilometern versucht, mir deutlich zu machen, dass ich nicht mehr kann, doch darauf habe ich nicht gehört. Und jetzt werden auch die zweifelnden Stimmen in mir leiser.
Selbst sie werden von dem Gefühl unendlichen Glücks, das sich immer weiter in mir ausbreitet, erfüllt. Es ist jedem Teil von mir jetzt unmöglich, zu sprechen. Nur lächeln, strahlen, was die Sonne am Ende des Tages nicht mehr tut, und weiter einen Fuß vor den anderen setzen.
Rasen. Schnell sein. Alles an mir vorbeiziehen lassen und wissen: Ich bin ein Teil davon.

Außer mir ist keiner hier. Nur ich und mein Freund, der Wind.
Niemand, der den Platz auf der Straße beansprucht.
Niemand, der mich durch Blicke und nicht ausgesprochene Erwartungen in eine Richtung lenkt.

Ich bin frei, alles zu tun, weil niemand mich kontrolliert.
Und doch gebunden an alles, weil ich Teil des Lebens bin.

Freie Platzwahl.

Wir sitzen zusammen im Vierer.
Der Zug rauscht durch den Regen. Immer mehr nähern wir uns der Endhaltestelle. Wo wir aussteigen müssen. Wo ich weiter meinen eigenen Weg gehen kann. Worauf ich mich freue.
Ich fühle mich fremd bei euch.
Konzentriert betrachte ich mein Handy. Schreibe eine unheimlich wichtige SMS. Spiele unheimlich wichtige Spiele. Ich klammere mich fest an diesem Gegenstand. Er ist mein sicherer Anker, der mich in eurer Welt nicht untergehen lässt.
Ihr unterhaltet euch.
Ihr lacht.
Macht Späße.

Ich sollte meinen Platz räumen. Jemand anderes gehört dorthin.
Jemand, der sich mit euch unterhält.
Der mit euch lacht.
Späße macht.
Das würdet ihr nicht sagen. Wahrscheinlich denkt ihr das noch nicht mal.
Der einzige, der mich ausgrenzt, bin ich selbst.

Ich blicke mich im Zug um.
Dahinten ist noch ein Vierer mit Leuten aus unserem Kurs. Jetzt sehne ich mich in diesen, doch würde ich dort sitzen, würde ich mich genauso fremd fühlen.
Eine Zweier-Reihe könnte ich auch für mich alleine beanspruchen. Da könnte ich nicht in den Gesprächen, dem Leben untergehen. Auch würde ich mich nicht einsamer fühlen als mit euch neben mir. Trotzdem wäre es falsch, mich aus der Gruppe zu ziehen.

Also bleibe ich in eurem Vierer, lausche euren Gesprächen und Späßen und tue so, als wäre ich mit meinem Handy beschäftigt.

Ich blicke aus dem Fenster, beobachte, wie die dicken Regentropfen daran runterlaufen.
Endlos fallen.
Endlos frei sein.
Und dann der harte Aufprall, die Vereinigung mit anderen Tropfen, die den gleichen Weg hinter sich haben.
Vielleicht werde ich meinen Platz dort draußen finden.



"Es gibt einen Platz, den du füllen musst, den niemand sonst füllen kann, und es gibt etwas für dich zu tun, das niemand sonst tun kann."

[Platon]

Dienstag, 21. August 2012

Das Oink-Wau-Tier.

"Wau wau", der Schweinehund bellt in mir.
"Oink oink", der Schweinehund qiuetscht in mir.
"Geh, wau, nicht, oink!"
Nein nein, ich gehe nicht. Keine Angst. Faul aufm Bett liegen macht mir sehr viel Spaß! Das ist viel besser als Sport! Warum sollte ich losgehen?!
"Oink, sehr gut!"
Klar, dir gehorche ich doch immer!

Hey, Moment! Habe ich denn nicht auch einen eigenen Willen?
Ja, doch, der müsste doch irgendwo sein... Aber wo nur? Hat sich wohl in der hintersten Ecke meines Körpers verkrochen. Braucht man ja auch so selten. Gibt ja genug andere, dir mir sagen, was ich wollen will. Die Medien. Meine Mitmenschen. Der Schweinehund ("Ja, ich, wau!"). Ist ja auch alles viel angenehmer.
Jetzt ist der Wille vielleicht abgehauen. Kann das sein? Nochmal alles durchsuchen. Obwohl ... das ist ja auch so viel Arbeit!

"Ja, oink. Das ist zu viel Arbeit, wau! Lass, oink, das mal lieber, wau!"
Oh stimmt, du hast recht. Schön, dass du das auch so siehst. Mein Wille würde es auch nicht wollen, dass ich mich mit so unnötigen Aufgaben abgebe.
Ein Glück habe ich meinen Schweinehund!

Aber wenn doch ... ganz vielleicht. Nur noch hier hinter dieser Gehirnzelle nachschauen.
Oh, hups! Da ist der Wille ja!
Wo kommt der denn jetzt her?

"Der bescheuerte Schweinehund hat mich eingesperrt! Besieg den doch mal! Das gibt's doch gar nicht, so stark ist der doch auch nicht!"
Oh... Tut mir Leid, tut mir Leid. Was ... ähm ... will ich denn jetzt?
"Sport."
"Wau, drinnen bleiben, oink!"
"Raus!"
"Oink, Bett!"
"Bewegung!"
"Schlafen, wau!"

Mein. Kopf. Platzt.
Sie streiten sich. Mein Wille und mein Schweinehund. Wer ist stärker?
Ausreden über Ausreden.
Mein. Kopf. Platzt.
Ich muss raus.
Aber will ich denn auch raus?

Egal, was ich will.
Egal, was ich nicht will.

Ich. Bewege. Mich.

Wer hat jetzt gewonnen?
Das Oink-Wau-Tier?
Mein Wille?
Oder ich?

In mir ist so viel.