Mittwoch, 30. Januar 2013

Hörst du.

Ich sitze im Klassenzimmer und höre. Kann meine Ohren am Hören nicht hindern. Kann die Flut an Informationen nicht aufhalten, die in mich dringt. Kann nicht mehr differenzieren, nehme jedes Geräusch wahr.
Meine Sitznachbarin erzählt über Goethes Menschenbild. Analysiert das Gedicht. Räuspert sich.
In der vorderen Reihe blättert jemand um - vielleicht um nachzuprüfen, was gesagt wurde.
Links neben mir knackt eine Freundin mit den Fingern. Ich zucke zusammen, höre das Rascheln meiner Jacke.
Von draußen dringt Musik ins Klassenzimmer. Etwas aus den Charts, die Bauarbeiter hören offensichtlich Radio.
Und arbeiten dabei. Es kracht, es hämmert - Metall auf Metall, etwas Hartes auf Holz.
Die Plane vorm Fenster weht im Wind, das Knistern übertönt meine Lehrerin. In meinen Gedanken.
Jemand rückt seinen Stuhl zurecht.
Von irgendwo kommt das Klicken eines Kugelschreibers. Ob wohl jemand nervös ist?
Und schon spricht eine andere Schülerin. Auch über Menschenbilder. Nur das Geräusch kommt zu mir durch. Ich bin nicht in der Lage, den Inhalt aufzunehmen. Ich höre die Stimme. Als Hintergrund zu den Schritten der Personen, die an der geschlossenen Tür vorbeilaufen.

Jedes Geräusch zieht meine Wahrnehmung aufs Neue an sich. Kaum eine Abfolge an Tönen kann ich zu Ende verfolgen.
Immer dringt etwas Neues auf mich ein. Drängt sich auf. Drängt sich durch meinen Gehörgang in mich.

Es scheint still zu sein in der Klasse - die Frage der Deutsch-Lehrerin kann offensichtlich keiner beantworten.
Und ich halte mir die Ohren zu.
Es ist so laut.

Samstag, 26. Januar 2013

Zwölf Kisten Leben.

Zwölf Kisten, gestapelt in meinem Zimmer. Gefüllt mit meinem Leben. Beschriftet mit Oberbegriffen.
Mein Leben, sortiert. Mein Leben, zusammengeräumt.
Die Regale leergeräumt, Schränke voller Luft.
Mein Leben, rausgescheucht. Nichts zurückgeblieben.

Wie belanglos. 12 Kisten für 18 Jahre. Alles, was mich ausmacht, in Pappe verpackt.
Ein wenig Regen würde mein Leben vernichten.
Alles auslöschen, wegschwemmen, zunichte machen.

Und plötzlich wünsche ich mir Regen. Würde die Kisten am liebsten aus dem Fenster werfen.
Würde gerne allein dastehen. Ohne Besitz. Ohne Vergangenheit.
Nur mit mir. Mit neuen Chancen und neuem Leben. Neuen Möglichkeiten und neuen Ideen.

Ich lasse alle Kartons hier stehen. Werde alle in den Transporter laden und mitnehmen.
In mein neues Leben. Mit neuen Chancen und neuen Ideen.
Weil die zwölf Kisten zwar mein Leben sind. Aber ich selbst meine Zukunft bin.

Donnerstag, 24. Januar 2013

Elf.

„An diese Annie solltest du dich halten, Darling“, riet sie mir. „Geh sie besuchen. Von verrückten Leuten kann man eine Menge lernen.“

[Die Mitte der Welt - Andreas Steinhöfel]


Ich wurde getaggt. Dreimal mittlerweile. Deswegen mache ich das jetzt mal gerne :)


1. Was ist dein Lieblingsbuch?
Fällt mir schwer, mich da auf eins festzulegen. Aber wenn ich mich festlegen muss, wohl 'Extrem laut und unglaublich nah' von Jonathan Safran Foer.

2. Ein inspirierender Spruch?
"Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn't do than by the ones you did do." - Mark Twain

3. Was würdest du tun, wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest?
Den ganzen Tag durch die Stadt laufen, Bahn fahren, fremde Leute anlächeln und ansprechen.

4. Welchen Blog findest du am besten?
Den von Jades

5. Welche Lüge benutzt du am häufigsten?
"War heute was Besonderes los?" - "Nein."

6. Magst du dich?
Ja.

7. Worauf bist du stolz?
Entwicklung in vierlerlei Hinsicht

8. Vermisst du jemanden?
Ja.

9. Hast du Vorsätze fürs neue Jahr?
Nein, hatte ich nicht. Die würde ich eh nicht umsetzen.

10. Wo bist du am liebsten?
Bei meiner Tante und meinem Onkel

11. Bist du lieber allein oder unter Menschen?
Meistens lieber allein, unter gewissen Menschen gerne und von Zeit zu Zeit auch gerne unter vielen.


Und von Jades:

1. Welche sind deine drei Lieblingswörter?
einfach, Giraffe, wundervoll

2. Wie definierst du Liebe?
Sich toll finden, auch wenn man sich nicht sieht; glücklich sein, auch wenn man miteinander schweigt;  plötzlich lachen können, auch wenn man schlecht drauf ist; eine Person toll zu finden, auch wenn man sie kennt.

3. Was kommt, deiner Meinung nach, nach dem Tod?
Bestenfalls das unvorstellbare Nichts

4. Glaubst du, das Leben wäre einfacher, wenn man seinen Sinn kennen würde?
Ich denke, der Sinn des Lebens ist individuell und variabel, daher schwer zu kennen. Und außerdem: Nein, glaube ich nicht.

5. Welches ist dein Lieblingszitat? Warum?
"What day is it,?" asked Pooh.
"It's today," squeaked Piglet.
"My favorite day," said Pooh.
Weil es so selbstverständlich klingt, so kindlich, so optimistisch. Und trotzdem so wahr, so wichtig und so groß ist.

6. Glaubst du an Schicksal?
Ja, in manchen Situationen glaube ich an etwas, das man als Schicksal bezeichnen könnte.

7. Dein größter Wunsch für die Zukunft?
aufzuwachen und zu merken, dass ich erreicht habe, wofür ich gekämpft habe; und glücklich darüber zu sein

8. Was assoziierst du mit den Worten Stille, Kuss und Ende?
Einsamkeit, Liebe, Neuanfang

9. Was liebst du wirklich?
Freiheit

10. Für was würdest du sterben, ohne zu überlegen?
Für nichts, außer für die Zeit

11. Was rettet dich vor dir selbst?
Ich selbst


Und von Misa Shibuya:

1. Gibt es ein Lied, das dein Leben sehr beeinflusst (hat) oder einfach so sehr wichtig für dich ist? Wenn ja, welches?
Ja, Simple Man von Shinedown.

2. Gibt es etwas in deinem Leben, das du bereust? Was ist es?
Ja, gibt es - aber hauptsächlich Kleinigkeiten. Wenn ich jetzt etwas Bestimmtes benennen soll, dass ich mal zurück nach Hause gezogen bin.

3. Würdest du dem Spruch "In 20 years, you will be more disappointed by what you didn't do than what you did" zustimmen?
Ja.

4. Vermisst du gerade eine Person/ein Gefühl?
Ja, eine Person hauptsächlich.

5. Hast du irgendwelche außergewöhnlichen Hobbies, Fähigkeiten oder Interessen?
Oh ja, wer hat das nicht! Ich mag Statistiken und Listen, ich klettere, ich mag Gedankenspiele. Außergewöhnlichkeit ist relativ.

6. Machst du dir viele Gedanken über die Gesellschaft und die Zukunft der Menschen, wenn es so weitergeht wie bisher? Wenn ja: Was stört dich am meisten, welches Problem sollte deiner Meinung nach als erstes gelöst werden?
Ich mache mir Gedanken, weil ich mir über vieles Gedanken mache. Aber die Gedanken müssen ja nicht unbedingt negativ sein. Unabhängig von der vorherigen Frage: Am meisten stört mich die Unwissenheit und Ignoranz vieler; was als erstes gelöst werden sollte, kann ich nicht wirklich sagen, da vieles wohl auch zusammenhängt.

7. Was macht dich glücklich?
Kinder, die lächeln; Zusammenhalt; Zufriedenheit; Wärme; Erfolge; Küsse; Heimatgefühle; Wissen; Sport; gute Bücher; Musik; Stolz; helfen und unterstützen; lachen; etwas geschafft zu haben; Entdeckungen; Ruhe; Schönheit und das Leben.

8. Hast du ein Vorbild oder eine Person, die dich sehr inspiriert? Welche? Und warum gerade die?
Eine Person, die mich inspiriert, ist Skylar. Weil er das Leben mit ganz besonderen Augen sieht und seinen Blick mit anderen teilt.

9. Was sind deine größten Stärken und Schwächen? Hast du das Gefühl, dass du dich sehr von deinen Schwächen beeinflussen lässt?
Die Fähigkeit, über mich selbst und andere nachzudenken, Verhalten zu hinterfragen, Dinge schnell zu verstehen, gut auf andere eingehen zu können. Introvertiertheit, die oft zu Schüchternheit neigt und oft wie Desinteresse wirkt, Sarkasmus an den falschen Stellen, Faulheit, immer wieder ein Nicht-Stehen zu meinen Fehlern. Mein Charakter besteht auch aus meinen Schwächen, daher beeinflussen auch die mich und mein Verhalten, sicher. Das tun meine Stärken aber auch.

10. Was ist dein schönstes/wichtigstes Erlebnis im letzten Jahr gewesen?
Das Kennenlernen einer wundervollen Person.

11. Welcher Satz, der jemals zu dir gesagt wurde, ist am besten in deinem Gedächtnis geblieben?
"Du bist inspirierend."


Und meine 11 Fragen:

1. Wenn du jetzt die Augen schließt und ganz ruhig bist, was hörst du?
2. Welches Buch steht in der zweiten Reihe an siebter Stelle von links in deinem Bücherregal?
3. Auf welchen Sprachen kannst du bis zehn zählen?
4. "Oh, die Person ist so unbeschreiblich!" An wen denkst du? Beschreibe ihren / seinen Charakter, vor allem, was daran "unbeschreiblich" ist.
5. Was ist dein Lieblings-Smiley?
6. Was kannst du gar nicht ab?
7. Welches Tier beschreibt dich / deinen Charakter / dein Verhalten am besten?
8. Welches Gedicht gefällt dir besonders?
9. Wenn du nur eine Frage stellen dürftest, um einen Menschen kennenzulernen, welche wäre das?
10. Was hast du im letzten Traum, an den du dich erinnern kannst, geträumt?
11. Welches Ereignis hat dein Leben rückblickend betrachtet am meisten beeinflusst?


Und 11 Dinge über mich: 

1. Ich bin morgens schlecht gelaunt.
2. Ich habe 6 Kissen in meinem Bett.
3. Ich bin gut in Mathe.
4. Ich habe generell zwei verschiedenfarbige Socken an.
5. Wenn mir jemand eine Aufgabe stellt, will ich sie lösen; wenn ich etwas nicht weiß, will ich es herausfinden.
6. Ich suche einen Kletterpartner.
7. Wenn ich keinen dringenden Termin habe, fahre ich mit Bus und Bahn oft weiter als ich eigentlich müsste oder habe kein konkretes Ziel.
8. Ich gucke mir gerne mein Bücherregal an.
9. Ich verliere sehr ungern und gebe sehr ungern Schwäche zu.
10. Dienstag ist für mich der schlimmste Tag der Woche.
11. Recht große Differenzen zwischen meinen Erwartungen und meiner Motivation führen immer wieder zu Enttäuschungen.


Und ich tagge: 

Alle, die meinen Blog lesen.
Der Einfachheit halber.
Und weil ich jedem Menschen gerne Fragen stelle, der sich Zeit nehmen und Gedanken machen möchte.
Übrigens sowohl diejenigen, die mir folgen, als auch die, die es nicht tun.
Und auch die, die nur beantworten möchten, ohne Fragen zu stellen, Leute zu taggen oder Fakten zu erzählen.

Dienstag, 22. Januar 2013

Das Schicksal des Clowns.

"Oh ja, gerne!", sagt der Clown. Und alle lachen. Außer der Clown. Er wird still und fragt sich, was so lustig ist. Nehmen sie ihn nicht ernst? Verstehen sie ihn nicht?
"Oh ja, gerne!", sagt er nochmal. Sie grinsen.
"Alles klar!", sagt einer. Es ist nicht ernst gemeint. Und alle fangen wieder an zu lachen. Außer der Clown. Er wollte wirklich gerne mit den anderen mitkommen.

"Nein!", ruft der Clown in die Runde.
"Neim!", ahmt die Runde nach. Nein. Nein. Nein. Alle rufen jetzt nein. Alle, die vor Lachen noch rufen können. Der Clown lacht nicht. Also kann er noch rufen: "Nein!"
Keiner hört ihn. Denn alle lachen. Außer der Clown. Denn der Clown meinte es ernst. Er hat wirklich keine Lust, jetzt Vorführungen zu machen.

"Das war ernst gemeint", sagt der Clown leise. Die anderen lachen. Außer der Clown, der immer stiller wird.
"Ja, nee, ist klar!", sagt einer.
"Ja", sagt der Clown.
"Hahahahahahaha", lacht einer.
"Du bist lustig!", lacht ein anderer.

Und der Clown wird plötzlich sehr traurig darüber, lustig zu sein. Er erinnert sich daran, wie er sich früher gefreut hat, wenn andere über ihn gelacht haben; wenn sie glücklich waren, nur wegen ihm. Er hat sie zum Lachen gebracht - immer.
Und jetzt bringt er sie auch noch zum Lachen - immer.

"Hahahahahahahaha", lacht der Clown und setzt sein Clowns-Lachen auf.
"Hahahahahahahaha", lachen die anderen.
Und alle sind froh. Außer der Clown, der eigentlich gar kein Clown mehr sein will.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Kunst im Kopf.

Ich denke in Bildern.
In meinem Kopf spielen sich kleine Videosequenzen ab, Fotos, Zeichnungen, Symbole leuchten auf. Rasend schnell wechseln sie sich ab.
Ein Kind, das mir lachend, mit den Gedanken in weit entfernten Welten, fast gegen die Beine läuft.
Mein Handtuch, was auf dem kuscheligen Bett liegt und alles nass macht, während ich in der Schule sitze.
Das grinsende Gesicht meines Bruders, dem ich noch so viel sagen muss.
Der 20-Euro-Schein, mit dem ich beim Bäcker bezahlt habe, der an den Ecken ganz zerknittert war.
Unwichtiges und Wichtiges, Großes und Kleines wechselt sich ab. Das eine geht in das andere über. Szenen reißen in der Mitte ab, werden durch neue ersetzt. Ohne Übergang.

Ich denke in Tönen.
In Stimmen und Liedern. In lauten Lachern und erdrückender Stille.
Ich höre die Aufforderungen der Leute um mich herum, die ich noch nicht erfüllt habe. Aufgaben, die noch ungelöst vor mir liegen.
In meinem Kopf spielen Bands und Orchester. Zeigen mir, wie ich mich fühle. Spielen Melancholie, spielen Freude, spielen Chaos.
Und manchmal ist da nichts. Nichts zum Hören. Weil ich allein bin. Allein in meinem Kopf.

Ich denke in Worten.
Bringe keine Sätze zusammen.
Denke abgehackt.
Zusammenhangslos.
Gedanken überlappen sich.
Und ich muss noch so viel tun.
Gedanken fliegen davon.
Ungreifbar.
Meine Termine gehen unter.

Bilder und Worte und Töne mischen sich. Werden zu einem künstlerischen Gesamtprojekt.
Surrealistisch. Modern.
Sie bedürfen einer Analyse und Interpretation. Die ich zur Zeit nicht leisten kann.

Also bleibe ich unbeteiligter Zeuge der Meisterwerke meines Kopfes.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Die Haigruppe.

Mein kleiner Bruder trägt auch was zu meinem Blog bei.
Die Geschichte hat er geschrieben, als ihm im Deutsch-Unterricht die Aufgabe gestellt wurde, eine Lügengeschichte zu schreiben. Ich habe wenig erwartet, als ich von ihm gezwungen wurde, sie zu lesen. Und musste dann doch grinsen, war positiv überrascht. Erfreut. Beeindruckt.
Beeindruckt, wie kreativ er ist! Und beeindruckt, wie selbstverständlich real seine Geschichte klingt.

Hallo Leute, ich will euch heute mal eine Geschichte erzählen:
Vor genau zwei Monaten war ich mit meinem Kumpel Luca am Strand Scharbeutz spazieren. Wir guckten gerade aufs Wasser, als wir sahen, wie eine Gruppe von Haien auf zwei kleine Kinder zuschwamm.
Luca rief: "Schnappen wir sie uns!"
Wir beide liefen los, auf die Gruppe der Haie zu und prügelten auf sie ein. Vier von fünf Haien sind geflohen. Der letzte, größte Hai hat noch einmal seine ganze Kraft zusammengenommen und hat Luca angegriffen. Luca sprang hoch und landete auf dem Rücken des Haies. Der Hai schüttelte sich, doch konnte er Luca nicht abschütteln.
Irgendwann gab der Hai auf und schwamm mit Luca auf dem Rücken ins Meer hinaus. Es war ein sehr schlechtes Gefühl, als Luca verschleppt wurde.
Als ich dann letzten Monat noch einmal am Strand spazieren war, guckte ich aufs Wasser und sah, wie irgendjemand aufs Ufer zuschwamm. Als die Person nur  noch ein paar Meter vom Ufer entfernt war, sah ich, dass es Luca war. Er zog irgendetwas hinter sich her.
Ich lief zu Luca und sagte: "Wieso hast du überlebt?"
Dann sah ich, was er hinter sich herzog: Es war der Hai. Er war tot.
Heute ist Luca Batman, lebt in Gotham City und beschützt die Welt vor dem Bösen. Manchmal treffe ich mich mit Luca und höre mir an, was er so für Bösewichte besiegt hat und wie oft er schon fast gestorben ist. Im Moment hat er gerade mit einem Bösewicht namens Bane zu tun, wie er mir gestern Abend in einer Bar erzählte.

Dienstag, 8. Januar 2013

Weltweites Spinnennetz.

Du öffnest immer mehr Tabs. Immer mehr Seiten im Internet, die du gleichzeitig besuchst. Zu derselben Zeit an acht verschiedenen Orten. Mit neun verschiedenen Freunden im Gespräch. In vier verschiedenen Messengern. Alle schreiben dir. Wollen was von dir. Und du willst auch, willst für sie da sein. Für alle gleichzeitig. Und gleichzeitig die Musik auf YouTube hören, bei Facebook deine anderen Freunde stalken, bei Wikipedia eben schnell die Hausaufgaben machen und auf deinem Blog ein paar neue Fotos hochladen.

Der ICQ-Ton schreckt dich aus deinen Gedanken.
hey wie gehts?
Noch jemand, der was von dir will. Warum denn gerade jetzt?
gut dir?
Schnell zu Skype schauen. Da hat doch auch jemand geschrieben.
hast du nr 3 in mathe schon?
haste die?
ey?
noch da?
Ah, verdammt! Doppeltes Verdammt! Verdammt, dass du ihn übersehen hast. Und verdammt, dass ihr was in Mathe aufhattet.
jo, war grad kurz im bad, sorry. und nee, hab die aufgabe noch nicht.
Klick, ICQ wieder.
beschissen könnte man sagen, mein freund hat schluss gemacht
Nein, nein, nein! Doch nicht jetzt! Du willst dir gerade kein Gejammer anhören!
oh das ist kacke, tut mir leid

Überall bist du nur halbherzig dabei. Viertelherzig. Neuntelherzig. Du musst dein Herz aufsplitten für die vielen Aufgaben, die du ihm gleichzeitig gibst.
Nichts machst du mehr ganz. Überall nur kurz dabei.
Auch dein Kopf wird aufgesplittet, gefordert, überfordert. Der Bass des Liedes auf YouTube hämmert auf ihn ein, das Klackern der Tastatur beim Chatten hämmert auf ihn ein, das Klicken der Maus beim Hin- und Herspringen zwischen den Tabs.
Du kneifst die Augen zu. Und hast in den paar Sekunden drei neue ungelesene Nachrichten.

Und hältst den Aus-Knopf gedrückt. Hast dich nicht verabschiedet, die Hausaufgaben nicht erledigt und das Lied nicht zu Ende gehört. Bist einfach gegangen, ohne Vorankündigung, ungeplant.
Der Bildschirm wird schwarz. Es wird still um dich herum. Du bist allein.

Bis der SMS-Ton deines Handys ertönt.

Sonntag, 6. Januar 2013

Glaube.

Und du fragst dich: 

Immer wieder stellst du dir Fragen. Denkst nach. Denkst so viel nach, dass du das Leben vergisst. Dass du zum Atmen aufgefordert werden musst. So ungefähr.
Alles hinterfragst du.
Dich.
Andere.
Mich.
Und uns.

"War das alles?"  

Oder kommt da noch was? Soll ich noch warten? Auf dich? Schaffst du es noch, dein Ego zu besiegen? Deinen Stolz beiseite zu schieben? Kommst du noch? 
Oder sind die Hoffnungen nur naive Gutgläubigkeit?

"War das alles?"

Mit dem Traum der Zukunft? Kommt jetzt nichts mehr? Bleibt es so, für immer? Ich habe doch mein Ziel erreicht, habe geschafft, wofür ich solange gekämpft habe.
Ich bin nicht nicht zufrieden. Kann mich nicht freuen.
Habe nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Wofür es sich zu leben lohnt.
Und du glaubst trotzdem noch an mich.

Ich glaube nicht.

Samstag, 5. Januar 2013

Zeitstrahl ohne heute.


"Wir erinnern uns nicht nur an die Vergangenheit, sondern auch an die Zukunft. Fünfzig Prozent unserer Speicherkapazität ist nicht für das Geschehene reserviert, sondern für das, was noch geschehen wird. Termine, Geburtstage, Besprechungen, ganze Tagesabläufe, alle Hoffnungen, Träume und Ziele, die das Menschenleben ausmachen. 
Wir erinnern uns sowohl an das, was wir getan haben, als auch an das noch zu Tuende. Konkret ist lediglich die Gegenwart."

[Gedankenhaie - Steven Hall]


Wir leben sonstwo.
Sonstwann.
Nirgendwo. 
Nirgendwann.

Immer nur in Gedanken.
Beim Flüchten in fremde Welten.
Verstecken in fernen Wäldern.

In Zukunft und Vergangenheit.
In Plänen und Bereuen.
In Freude und Vergessen.
In Hoffnung und in Trauer.

Und die Gegenwart streicht weiter unaufhaltsam vorbei. Sie kann nicht festgehalten werden. Chancen vergehen, ohne dass sie realisiert werden.
Und wenn sie verstrichen sind, folgt die Gewissheit einer neuen Vergangenheit. In die man flüchten kann. Mit Reue und "was wäre wenn". 
Die Möglichkeiten der Zukunft warten. Du siehst sie auf dich zukommen.
Und dann nicht mehr. Weil sie in der Gegenwart verschwinden. Die Gegenwart ist für dich nur schwarzes Loch, nur Nichts.