Freitag, 5. Oktober 2012

Anekdoten des Aufräumens.

Ich räume um, ich räume aus; sortiere neu und sortiere aus.
Alte Erinnerungen kommen dabei hoch. Dinge, dich ich längst vergessen habe, wollen mir nun ihre Geschichten wieder erzählen. Manchen höre ich zu, verfalle in Tagträume und Schwärmereien.
Aber auch Bedrückendes kommt in den hintersten Ecken meines Zimmers zum Vorschein: Briefe, die Gefühle wecken, die schon verdrängt waren; Erinnerungen an Freundschaften, die nicht mehr existieren.
Doch selbst aus diesem kann ich heute Positives ziehen. Mir fällt die Entwicklung auf, die Verbesserung, die sich in den letzten Jahren in mein Leben geschlichen hat. Ganz leise, fast unmerkbar. Nur durch Vergleiche mit dem Ich von damals werden die Unterschiede deutlich.

Vom Boden meines Kleiderschrankes krame ich meine alte Lieblingsjeans. Ausgewaschen und mit Löchern, teilweise genäht, teilweise nicht.
Ich hätte sie am liebsten jeden Tag getragen und das sieht man ihr an. Heute wusste ich nicht mehr, dass es sie jemals gab.
So viel habe ich in dieser Hose erlebt; Erfahrungen gemacht, Fehler begangen, Tränen geweint und unendlich viel gelacht. So viel davon weiß ich nicht mehr. So viel davon war damals die Welt für mich und ist heute nichtig.
Ich werde sie nicht mehr tragen. Die Zeiten sind vorbei. Neue Gefühle, neue Erkenntnisse, Entwicklung und neue Jeans.
Ich stopfe sie in die Mülltüte. Und lächle. Das heißt Veränderung.

Andere Kleidungsstücke folgen. Die Säcke füllen sich.
So viel ausgegebenes Geld landet darin. Einiges, wofür ich auch jetzt sicher noch welches bekommen würde. Und trotzdem verzichte ich darauf.
Weil es nicht nur Stofffetzen sind, sondern Teile meines Lebens. Ich will sie nicht weiterreichen, genau wie meine Erfahrungen nicht von einem Zweiten nachgelebt werden.

Und weil ich sehen will, wie all das im Müll verschwindet. Wie der Abschnitt endet; sich das Kapitel endgültig schließt.
Ein Neuanfang. Der schon längst begonnen hat.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Zersplittert.

Ich stehe vorm Spiegel und schaue mir in die Augen.
Wut überkommt mich.
Der Drang, etwas in das reflektierende Glas zu werfen, damit es bricht.
Damit alles in tausend Scherben zerfällt
und ich sehe, dass etwas noch zerbrechlicher ist als ich.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Welten verschweigen.

Wir alle haben Geheimnisse.
Du hast Geheimnisse vor mir. Dinge, die du mir nicht erzählst, die tief in dir sind und nicht rausgelassen werden. Geschichten, für die das Vertrauen noch nicht ausreicht. Erlebnisse, die ich nie erfahren werde. Einiges verschweigst du mir bewusst; anderes steckt im hintersten Winkel deiner Persönlichkeit - unsichtbar für jeden.
Und genauso habe ich Geheimnisse vor dir. Etwas, das ich dir nicht erzähle. Wovon ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst; Angst habe, was es zwischen uns verändern würde. Dinge, für die die Zeit noch nicht reif ist; für manche wird sie es nie sein.

Ich weiß nichts von deinen und du nichts von meinen. Sie stehen einseitig zwischen uns.
Wenn ich auf dich blicke, sehe ich meine Geheimnisse. Sie erschweren mir die Sicht, lassen nicht zu, dass ich dich in all deinen Facetten sehen und mich dir endlos hingeben kann.
Doch für dich sind sie nicht da. Für dich existieren sie nicht. Dein Blick ist uneingeschränkt.
Wären da nicht deine eigenen Geheimnisse. Ob es so viele sind, dass du nicht einmal meinen Umriss erkennst, oder so wenig, dass du ohne große Mühe daran vorbeischauen kannst; ob sie groß sind und du ständig daran denkst oder klein und nichtig. Das weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass sie vorhanden sind. Weil sie das bei jedem sind. Und wegen der kleinen Momente, wo du mir auf eine Frage nur ausweichend antwortest. Wo ich merke, dass du noch viel mehr sagen könntest, dir die Worte aber nicht über die Lippen kommen. Weil alles noch nicht ausgereift ist. Die Worte nicht und unser Vertrauen nicht.
Da ist noch so viel Luft nach oben. So viel, was gesagt werden kann. So viel in Erfahrung zu bringen.

Aber was wird es ändern, wenn alle Geheimnisse weg sind, alle ausgesprochen und aufgelöst? Wenn da nichts mehr zwischen uns steht, wenn wir beide uns ohne Grenzen sehen können, uns ohne Grenzen nahe sind.
Wollen wir uns dann überhaupt noch nahe sein? Wenn wir alles voneinander wissen? Wenn keine Entwicklung mehr möglich ist? Wenn auch das Negative gesagt ist?
Könnten wir damit leben, zu erfahren, was uns bis jetzt verschwiegen wurde?

Bis zu welchem Punkt gehören Geheimnisse dazu? Ab wann müssen sie gelüftet werden? Bis wann sind sie legitim? Müssen sie vielleicht sogar sein?

So viele geheime Fragen. So viel Unwissen. So viel Unsicherheit.
Was, wenn ich es dir erzählen würde?
Und wie viel von dir kenne ich nicht? Vielleicht den größten Teil.

Montag, 1. Oktober 2012

Zeitbombe.

Die Zeiger der Uhr drehen sich rasend schnell. Und dabei dreht sich alles um die Zeit.
Überall, wo man hinschaut, wird von ihr gesprochen, wird sich nach ihr gerichtet, wird nach ihr gelebt.
Die Zeit bis zum nächsten Termin wird abgeschätzt.
Ist es einer, auf den man so gar keine Lust hat, den man am liebsten nie erleben würde, so wird versucht und gehofft und gebetet: "Ach, kann die Zeit nicht langsamer vergehen!"
Aber nein, sie tut es nicht. Die Zeiger drehen sich weiter; dem gefürchteten Moment mit jedem Ticken näher.
Freut man sich auf ein Vorhaben, wird begierig auf das Ziffernblatt der Uhr geschaut. Auch hier wird versucht und gehofft und verzweifelt gebetet: "Ach, kann die Zeit nicht schneller vergehen!"
Aber nein, auch das tut sie nicht. Alles geht weiter seinen gewohnten Gang, der plötzlich viel zu langsam erscheint. Und alles dreht sich weiter um die Zeit.
Um das Zählen einzelner Stunden, Tage, Wochen bis zum ersehnten Termin.

Bei so viel Nachdenken über die Zeit bleibt für nichts Anderes mehr Zeit.
Keine Zeit für Pausen.
Keine Zeit für Freizeit. Alles nur überfüllte Vollzeit.
So viele Termine wie nur möglich werden in die 24 Stunden des Tages gesteckt. Und trotzdem wird die angebotene Zeit selten sinnvoll genutzt:
Eine Diskussion mit Klassenkameraden oder Arbeitskollegen, bei der am Ende das einzige Ergebnis ein neu vereinbartes Treffen ist.
Ein Treffen mit Freunden und solchen, die sich dafür halten, was du aus Höflichkeit nicht abgesagt hast, obwohl du viel lieber alleine wärst.
Oder Unterhaltungen mit Nachbarn und anderen Mitmenschen, an denen du weniger interessiert bist, die sich  aber einfach nicht beenden lassen.

Wie oft guckst du am Tag auf die Uhr?
Wie oft denkst du dabei "scheiße", wie oft verfluchst du die Zeit, wie oft merkst du, dass du viel zu spät dran bist, aufgehalten wirst, das rechtzeitige Einhalten von abgemachten Zeiten unmöglich wird?
Du hast dir morgens zu viel Zeit gelassen - mit was genau, weißt du gar nicht mehr - und verpasst nun deine Bahn. Die sich gerade heute natürlich pünktlich an ihren Fahrplan hält.
Du standest gerade 10 Minuten im Regen am Bahnhof, weil der öffentliche Nahverkehr das mal wieder nicht so genau nimmt mit den Zeiten. Und schlussendlich sitzt du nun doch im Trockenen, schaust abwechselnd aus dem Fenster und deine Uhr: Klitschnass und zu spät wirst du bei deiner Arbeitsstelle sein.
Du hast nicht gedacht, dass der Termin beim Arzt so lange dauern würde, und der nächste Punkt auf deiner Tagesordnung wartet schon. Genervt im Wartezimmer sitzend denkst du schon über passende Ausreden für die im Restaurant wartende Freundin nach.
Morgen muss das Referat gehalten werden, was du ganz vergessen hast. Nun ist es 22 Uhr.

Du stehst unter Zeitdruck. Immer.
Immer wenn du auf die Uhr schaust, und anfängst, zu rechnen.
Immer wenn du die Zeiger anflehst, sich doch langsamer zu drehen.
Immer wenn du denkst: "Scheiße, schon so spät!"

Und immer dann dreht sich gar nichts langsamer. Du bist nur ein winziges Fleckchen auf der Erde.
Ein Tag vergeht, egal ob du die 24 Stunden genutzt hast oder nicht.
Ob du noch weitere 24 Stunden anhängen könntest, weil du immer noch nicht alles geschafft hast. Oder ob du schon nach 3 Stunden den Tag verflucht hast und zurück ins Bett gekrochen bist.

Was für ein Zeitvertreib, wenn sich alles um die Zeit dreht!




Na, was hättest du jetzt Besseres mit deiner Zeit anzufangen als über die Zeit zu philosophieren? 
Was verschiebst du gerade, wofür jetzt eigentlich genügend Zeit wäre?

Sonntag, 30. September 2012

Einfach so drauflosgelebt.

Man muss ja nicht immer alle Konsequenzen überdenken!
Man kann ja auch einfach mal nur so drauflosleben.
Einfach das tun, worauf man Lust hat.
Was man machen möchte.
Mit dem Herzen entscheiden, den Verstand ausschalten.

Gefühle vor Hausaufgaben.
Freizeit vor Schule.
Spaß vor Pflichten und
Individualität vor Normen.

"Es ist mir egal, was die anderen denken!"
Versuch, dir darüber im Klaren zu sein.
Versuch, genau das auch zu leben.
Die Anderen denken eh, was sie wollen.
Wenn sie dich scheiße finden wollen, finden sie dich scheiße. Selbst wenn du genau das tust, was ihnen gefällt.
Und wer dich toll findet, findet dich auch noch toll, wenn du deine eigene Meinung hast.

Du kennst die Theorie. Und trotzdem kommen immer wieder diese Zweifel an. Flüstern dir ins Ohr, hindern dich daran, auf dein Herz zu hören.
Das Allgemeine trifft die Entscheidungen für dich.
Deine Angst handelt in deinem Sinne.
Sie übertönen dein Herz und deine eigene Meinung.
Sie übertönen dich mit all dem, was dich ausmacht.

Aber lass sie nicht immer gewinnen!
Es gibt noch mehr in dir, was dich lenken kann.
Befrei deinen Kopf, befrei dich von all dem Zweifel.
Sei ganz ruhig und hör auf dein Herz, wie es ganz leise flüstert:
"Du bist toll, du machst das gut!"

Samstag, 29. September 2012

Wir-Gefühl.

Leidenschaften leben.

Gefühle teilen.
Miteinander jubeln und miteinander weinen.
Miteinander gewinnen und miteinander verlieren.
Niemals allein sein.
Niemals ungewollt sein.

Gemeinschaft leben.

Ein großer Chor.
Gemeinsam singen.
Gemeinsam brüllen.
Jeder kennt den Text, jeder gehört dazu.
Auf keinen kann verzichtet werden, keiner ist zu viel.

Spannung fühlen.
Zusammen hoffen.
Zusammen zittern.
Enttäuschungen treffen alle gleich.
Erleichterung wird Massen-Gefühl.

Auch aus Negativem ziehen wir Positives.
Denn selbst die tiefste Trauer wird zu einem schönen Gefühl, wenn jemand da ist, der dasselbe empfindet.
Wenn Tausende da sind, die dich verstehen.

Weil nichts Anderes zählt.
Dein Name ist egal, wenn du für meinen Verein bist.
Deine Herkunft ist egal, wenn du heute hier bist.
Wissen reduziert auf das Nötigste.
Ein Individuum wird zum Teil der Masse.

Und wenn du nach Hause gehst, ist all das vorbei.
Dann bist du wieder du selbst, in all deinen Facetten.
Und die Gemeinsamkeiten mit 50.000 anderen sind nur noch minimal.

Das ist Fußball.
Das ist ein Tag im Stadion.
Das ist Liebe.

Donnerstag, 27. September 2012

Was man im Wartezimmer so liest.

 I am what I am and I do what I do.
Oh yes, of course, Mann mit Rauschebart.
Aber ja, vielleicht tust du das. Ich weiß es nicht. Weißt du es, Mann mit Rauschebart? Weißt du, wer du bist? Stehst du zu dir und deinen Taten (das sagt dein T-Shirt scheinbar aus).
Ja, vielleicht. Vielleicht bist du in deinem Herzen unter dem grünen T-Shirt ein Rebell, hältst dich nicht an Regeln und Normen. Demos, Drogen, Alkohol. Anti-autoritär. Individuell.
Und selbst wenn du nicht einmal bei Rot über die Ampel gehst, weil es gegen deine Moralvorstellungen widerspricht, kann doch gerade dies genau das sein, was du tust. Und tun willst.

Und auch der Teenager trägt ein grün/türkises Sweatshirt. Die Farbe scheint in zu sein; offensichtlich ein Trend, den ich gerne auslasse.
Auf seinem Oberteil steht allerdings keine so philosophische Botschaft. Stattdessen Werbung. In großen Lettern, überdeutlich, prangt die Marke auf seiner Brust.
Tust du auch, was du willst, Junge mit Jakob & Johannes Pullover? Ist es das? Gefällt der Schriftzug dir so sehr, dass du genau dieses Sweatshirt ausgesucht hast? Oder hast du ihn dir ausgesucht, weil er so vielen anderen gefällt? Weil es was Besonderes ist, so geniale Markenware zu tragen. Damit jeder auch gleich weiß, wem du dein Geld in den Pullover schmeißt. Wie so viele andere auch. Weil es ja was Besonderes ist.
Aber auch an dieser Stelle sollte ich vielleicht weniger ironisch sein. Denn weiß ich, ob du nicht bewusst gerade für diese Marke Litfasssäule spielst? Vielleicht gefällt dir das Konzept der Firma so besonders. Oder dein Vater arbeitet dort. Oder aber du heißt vielleicht Jakob Johannes und machst dir einen Spaß daraus, ein Namensschild zu tragen. Was in der Öffentlichkeit keinem auffällt, deine vergesslichen Freunde aber immer wieder an deinen langen und komplizierten Namen erinnert.

Bei der nächsten Person muss ich leider gestehen, dass ich aufgrund der gekrümmten Sitzhaltung die aussagekräftige Botschaft nicht bis zum letzten Wort lesen kann. Und trotzdem gehe ich darauf ein. Das ist natürlich unkorrekt und unvollständig. Immerhin kenne ich die vielleicht alles umschmeißende Pointe am Satzende nun nicht.
Lassen wir alle Zweifel beiseite: „The silent beauty take a …“  Das steht da. Wobei die Punkte durch kreative Einfälle ersetzt werden dürfen. Mir fällt ehrlich gesagt nichts ein.
(Jetzt weiß ich übrigens auch, warum meine Englisch-Nachhilfe-Schüler so viele Problem mit dem s im simple present in der 3. Person singular haben - oder anders ausgedrückt mit dem „he, she, it - das s muss mit“ -, wenn das selbst die chinesisch / bangdladeschische T-Shirt-Herstellung nicht hinbekommt!)
Na gut, kommen wir zu der stillen Schönheit zurück. Die stille Schönheit ist eine ältere, etwas korpulente Frau mit Brille und mittellangen Haaren.
Schönheit liegt sicherlich im Auge des Betrachters und was stille Schönheit ist, weiß ich auch nicht ganz genau, aber in meinen Augen ist diese Schönheit in dem weiß/beige/rosanen Shirt mucksmäuschenstill.
Ja, die Farbkombination hört sich nicht nur gewagt an. Sie ist es auch. Zumindest in meinen inkompetenten Augen; das mir bekannte Farbspektrum reicht nämlich sehr zur Belustigung meiner weiblichen Freunde nicht weit über die Grundfarben hinaus. Ob ein grün wald-, gras- oder moosfarben ist, kann ich nicht feststellen. Und welche Farbe Lachse, Beeren und Wein haben, weiß ich auch nicht ganz genau.
Die mucksmäuschenstille Schönheit hat sich übrigens, während ich mir über Farben Gedanken machte, aus Ärger über die langen Wartezeiten beim Arzt genervt gestreckt. Dabei konnte ich das Rätsel lösen. Ich weiß jetzt, was die stille Schönheit nimmt: the best of life!
Erklärungen kann ich dazu leider nicht abliefern, außerdem habe ich jetzt schon ganz schön lange über ein unvollständiges T-Shirt philosophiert, daher belasse ich es dabei. Und hoffe, demnächst an der Reihe zu sein.

Denn die Sprüche gehen mir aus! Die übrigen Wartenden sitzen entweder in ungünstiger Position zu mir oder tragen - möglicherweise bewusst, um den Peinlichkeiten zu entgehen - einfarbig.