Mittwoch, 3. Oktober 2012

Welten verschweigen.

Wir alle haben Geheimnisse.
Du hast Geheimnisse vor mir. Dinge, die du mir nicht erzählst, die tief in dir sind und nicht rausgelassen werden. Geschichten, für die das Vertrauen noch nicht ausreicht. Erlebnisse, die ich nie erfahren werde. Einiges verschweigst du mir bewusst; anderes steckt im hintersten Winkel deiner Persönlichkeit - unsichtbar für jeden.
Und genauso habe ich Geheimnisse vor dir. Etwas, das ich dir nicht erzähle. Wovon ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst; Angst habe, was es zwischen uns verändern würde. Dinge, für die die Zeit noch nicht reif ist; für manche wird sie es nie sein.

Ich weiß nichts von deinen und du nichts von meinen. Sie stehen einseitig zwischen uns.
Wenn ich auf dich blicke, sehe ich meine Geheimnisse. Sie erschweren mir die Sicht, lassen nicht zu, dass ich dich in all deinen Facetten sehen und mich dir endlos hingeben kann.
Doch für dich sind sie nicht da. Für dich existieren sie nicht. Dein Blick ist uneingeschränkt.
Wären da nicht deine eigenen Geheimnisse. Ob es so viele sind, dass du nicht einmal meinen Umriss erkennst, oder so wenig, dass du ohne große Mühe daran vorbeischauen kannst; ob sie groß sind und du ständig daran denkst oder klein und nichtig. Das weiß ich nicht.
Ich weiß nur, dass sie vorhanden sind. Weil sie das bei jedem sind. Und wegen der kleinen Momente, wo du mir auf eine Frage nur ausweichend antwortest. Wo ich merke, dass du noch viel mehr sagen könntest, dir die Worte aber nicht über die Lippen kommen. Weil alles noch nicht ausgereift ist. Die Worte nicht und unser Vertrauen nicht.
Da ist noch so viel Luft nach oben. So viel, was gesagt werden kann. So viel in Erfahrung zu bringen.

Aber was wird es ändern, wenn alle Geheimnisse weg sind, alle ausgesprochen und aufgelöst? Wenn da nichts mehr zwischen uns steht, wenn wir beide uns ohne Grenzen sehen können, uns ohne Grenzen nahe sind.
Wollen wir uns dann überhaupt noch nahe sein? Wenn wir alles voneinander wissen? Wenn keine Entwicklung mehr möglich ist? Wenn auch das Negative gesagt ist?
Könnten wir damit leben, zu erfahren, was uns bis jetzt verschwiegen wurde?

Bis zu welchem Punkt gehören Geheimnisse dazu? Ab wann müssen sie gelüftet werden? Bis wann sind sie legitim? Müssen sie vielleicht sogar sein?

So viele geheime Fragen. So viel Unwissen. So viel Unsicherheit.
Was, wenn ich es dir erzählen würde?
Und wie viel von dir kenne ich nicht? Vielleicht den größten Teil.

2 Kommentare:

  1. Ich kenne diese Fragen und ich kenne das Gefühl, Antworten wissen zu wollen.
    Liam, du bist ein Künstler. Vielleicht weißt du das ja. Aber du zauberst mit den Worten.
    Ich wünschte, ich könnte das wie du.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für die tollen Worte!
      Um darauf mal etwas poetisch zurückzukommen: Du hast jetzt gerade auch mit deinen Worten gezaubert, nämlich mir ein Lächeln auf die Lippen.
      Danke!

      Löschen