Donnerstag, 27. September 2012

Was man im Wartezimmer so liest.

 I am what I am and I do what I do.
Oh yes, of course, Mann mit Rauschebart.
Aber ja, vielleicht tust du das. Ich weiß es nicht. Weißt du es, Mann mit Rauschebart? Weißt du, wer du bist? Stehst du zu dir und deinen Taten (das sagt dein T-Shirt scheinbar aus).
Ja, vielleicht. Vielleicht bist du in deinem Herzen unter dem grünen T-Shirt ein Rebell, hältst dich nicht an Regeln und Normen. Demos, Drogen, Alkohol. Anti-autoritär. Individuell.
Und selbst wenn du nicht einmal bei Rot über die Ampel gehst, weil es gegen deine Moralvorstellungen widerspricht, kann doch gerade dies genau das sein, was du tust. Und tun willst.

Und auch der Teenager trägt ein grün/türkises Sweatshirt. Die Farbe scheint in zu sein; offensichtlich ein Trend, den ich gerne auslasse.
Auf seinem Oberteil steht allerdings keine so philosophische Botschaft. Stattdessen Werbung. In großen Lettern, überdeutlich, prangt die Marke auf seiner Brust.
Tust du auch, was du willst, Junge mit Jakob & Johannes Pullover? Ist es das? Gefällt der Schriftzug dir so sehr, dass du genau dieses Sweatshirt ausgesucht hast? Oder hast du ihn dir ausgesucht, weil er so vielen anderen gefällt? Weil es was Besonderes ist, so geniale Markenware zu tragen. Damit jeder auch gleich weiß, wem du dein Geld in den Pullover schmeißt. Wie so viele andere auch. Weil es ja was Besonderes ist.
Aber auch an dieser Stelle sollte ich vielleicht weniger ironisch sein. Denn weiß ich, ob du nicht bewusst gerade für diese Marke Litfasssäule spielst? Vielleicht gefällt dir das Konzept der Firma so besonders. Oder dein Vater arbeitet dort. Oder aber du heißt vielleicht Jakob Johannes und machst dir einen Spaß daraus, ein Namensschild zu tragen. Was in der Öffentlichkeit keinem auffällt, deine vergesslichen Freunde aber immer wieder an deinen langen und komplizierten Namen erinnert.

Bei der nächsten Person muss ich leider gestehen, dass ich aufgrund der gekrümmten Sitzhaltung die aussagekräftige Botschaft nicht bis zum letzten Wort lesen kann. Und trotzdem gehe ich darauf ein. Das ist natürlich unkorrekt und unvollständig. Immerhin kenne ich die vielleicht alles umschmeißende Pointe am Satzende nun nicht.
Lassen wir alle Zweifel beiseite: „The silent beauty take a …“  Das steht da. Wobei die Punkte durch kreative Einfälle ersetzt werden dürfen. Mir fällt ehrlich gesagt nichts ein.
(Jetzt weiß ich übrigens auch, warum meine Englisch-Nachhilfe-Schüler so viele Problem mit dem s im simple present in der 3. Person singular haben - oder anders ausgedrückt mit dem „he, she, it - das s muss mit“ -, wenn das selbst die chinesisch / bangdladeschische T-Shirt-Herstellung nicht hinbekommt!)
Na gut, kommen wir zu der stillen Schönheit zurück. Die stille Schönheit ist eine ältere, etwas korpulente Frau mit Brille und mittellangen Haaren.
Schönheit liegt sicherlich im Auge des Betrachters und was stille Schönheit ist, weiß ich auch nicht ganz genau, aber in meinen Augen ist diese Schönheit in dem weiß/beige/rosanen Shirt mucksmäuschenstill.
Ja, die Farbkombination hört sich nicht nur gewagt an. Sie ist es auch. Zumindest in meinen inkompetenten Augen; das mir bekannte Farbspektrum reicht nämlich sehr zur Belustigung meiner weiblichen Freunde nicht weit über die Grundfarben hinaus. Ob ein grün wald-, gras- oder moosfarben ist, kann ich nicht feststellen. Und welche Farbe Lachse, Beeren und Wein haben, weiß ich auch nicht ganz genau.
Die mucksmäuschenstille Schönheit hat sich übrigens, während ich mir über Farben Gedanken machte, aus Ärger über die langen Wartezeiten beim Arzt genervt gestreckt. Dabei konnte ich das Rätsel lösen. Ich weiß jetzt, was die stille Schönheit nimmt: the best of life!
Erklärungen kann ich dazu leider nicht abliefern, außerdem habe ich jetzt schon ganz schön lange über ein unvollständiges T-Shirt philosophiert, daher belasse ich es dabei. Und hoffe, demnächst an der Reihe zu sein.

Denn die Sprüche gehen mir aus! Die übrigen Wartenden sitzen entweder in ungünstiger Position zu mir oder tragen - möglicherweise bewusst, um den Peinlichkeiten zu entgehen - einfarbig.