Mittwoch, 27. Juni 2012

Ordnung ins Chaos bringen.

Gedanken ordnen wie Dokumente und Dateien.
Ich baue mir Regale in meinem Gehirn.
Packe Gedanken in Kisten und verschließe sie dann. Die einen kommen nach rechts, die anderen nach links. Mit Post-it-Stickern mache ich die Schachteln und Boxen erkennbar.
Schule: Mathe
Erinnerung: Januar 2010
Träume, Ideen, Wünsche


Ich räume und räume und räume. Minutenlang. Stundenlang. Die ganze Zeit verbringe ich in meinem Kopf. Die Augen geschlossen, die Außenwelt vergessen.
Und trotzdem lichtet sich das Chaos nicht.
Die Regale quillen über, der Gehirnboden bleibt mit Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Träumen, Plänen bedeckt. Immer Neues kommt mir in den Sinn und vergrößert das Durcheinander.
Einige Kisten fallen wieder aus den Regalen, die Deckel springen auf. Es sind Gedanken, die sich nicht unterkriegen lassen wollen, sie wollen nicht in Regalen einstauben, sie wollen nicht vergessen und verdrängt werden.
Gedanken, die ich noch nicht zu Ende gedacht habe.
Erinnerungen, die ich verbannen will.
Wissen, das unnütz ist.

Die Regale wollen unter der Last der Kisten nachgeben, wollen brechen, einstürzen und das Chaos meiner Gedanken noch mit Holzsplittern erweitern.
Resigniert gebe ich auf und schmeiße Boxen und deren Inhalte zurück auf den Boden.
Der Gedankenhaufen vergrößert sich in einer nicht zu stoppenden Geschwindigkeit. Ich kämpfe gegen die Zeit, versuche schneller auszumisten als ich denken kann.
Aber vergebens.

Mein Kopf droht zu platzen. Es wird eng.
Von innen drückt alles, was ich eben in Regalen aufreihen wollte, auf meine Haut und meine Knochen.
Die Kopfschmerzen sind nicht auszuhalten.
Das Innenleben meines Gehirns muss rausgelassen werden.
Aber die einzige Möglichkeit dafür wäre ein Loch im Kopf.

Stattdessen überlasse ich es einer Aspirin-Tablette in meinem Gehirn aufzuräumen.
Bis zum nächsten Aufbegehren meiner Innereien.

Gedanken ordnen geht so nicht!

Donnerstag, 21. Juni 2012

Vom Tod der Stille.


Wenn man jetzt ganz still ist, kann man das Klappern von Tellern und Besteck hören. Manchmal auch die Worte der jungen Kellnerinnen: „Möchten Sie noch etwas? Ist alles gut bei Ihnen?“
Wahrscheinlich ist das bei niemandem der Fall. Wann ist schließlich schon mal alles gut? Wann merkt man im Leben, dass wirklich alles gut ist?
Das Geräusch, das ganz im Vordergrund liegt, sind die leisen Klavierklänge. Die Gäste lassen die Töne auf sich wirken und die verschiedenen Melodien verbinden sie mit ganz unterschiedlichen Dingen. Sie versinken in ihren Gedanken, ihren Gefühlen, in sich selbst. Sie kommen zur Ruhe. Sie werden eins mit der Musik. Fühlen sich verstanden.
Und auch der Klavierspieler fühlt sich verstanden. Auf eine andere Weise. Mit den Klängen erzählt er seine ganz eigene Geschichte. Er kehrt sein Innerstes nach außen, ist für diesen Moment verletzlich und angreifbar. Doch er weiß, er ist sicher. Auch die Zuhörer sind ganz mit sich selbst beschäftigt. Sie erkennen diese eine Botschaft des Musikers nicht, denken sich vielmehr ihre ganz eigenen.

Wenn man in diesem Raum ganz still ist, kann man nirgendwo Musik hören. Nur Rufe, Schreie, Lärm, Besteck, wie es über Teller kratzt, Schmatzen und Lachen. Alle Studenten sind hier versammelt, tun so, als würden sie nicht schmecken und nicht sehen, was sie so gierig in den Mund schieben.
Die Tische sind gut gefüllt. Bis auf einen.
Dort sitzt jemand ganz allein. In monotoner Handbewegung schiebt er sich einen Bissen nach dem anderen in den Mund. Sein Blick ist starr auf den Teller gerichtet, dennoch scheint er nicht wahrzunehmen, was vor ihm liegt.
Ein junger Mann bewegt sich durch den Raum und stößt dem Alleinsitzenden im Vorbeigehen mit der Hand gegen den Hinterkopf. Einige Zuschauer lachen, während der einsame Student seine Handbewegungen weiter ausführt. Er scheint auch nicht zu hören, was die anderen ihm zurufen. Nicht das Lachen, nicht die Worte. Woran er wohl gerade denkt? Ob er wohl in seiner eigenen Welt versinkt?
Auch als ein Mädchen ihm den Teller wegnimmt, bleibt sein Blick auf den Tisch gerichtet, die Gabel noch in der Hand. Fünf Leute stehen nun um ihn herum. Er ist nicht mehr allein, aber wahrscheinlich einsamer als zuvor.

Aus dem kleinen Restaurant an der Ecke sind wieder Klavierklänge zu hören.
Menschen sitzen sich an den vielen Tischen gegenüber und lächeln sich an. Sie sind froh, dass niemand spricht, dass niemand sprechen muss. Die Musik transportiert Gefühle. Und auch über die traurigen Moll-Klänge sind die Gäste froh, denn sie fühlen etwas, sie spüren sich und wissen, sie sind am Leben und mit ihren Emotionen nicht allein, auch wenn der Partner ganz andere haben mag.
Hier finden sie die Ruhe, die sie im Alltag verzweifelt suchen, wo, nicht zu reden, gleich Stille bedeutet. Stille und Stillstand. Stille, aus der Spannung folgt.
Hier weiß jeder zu schätzen, dass kein Wort gesprochen wird. Diese Art der Verständigung ist ehrlich und trifft die Menschen in ihrem tiefsten Kern.

An diesem Abend geht der einsame Student nicht wie sonst von der Uni direkt zu seinem Arbeitsplatz.
Er steht auf der Brücke der Stadt und blickt in das Wasser unter ihm. Wie es sich kräuselt, wie es der Strömung folgt, wie viele kleine Einzelteile ein großes Ganzen bilden. Es fließt immer weiter, nie bleibt es stehen. Ein ewiger Kreislauf, der Kreislauf des Lebens.
Der Student lächelt.
Die Oberfläche des Flusses ist glatt, er scheint ganz still dazuliegen und ist doch in Bewegung. Der Schein trügt. Unser Auge sieht, unser Gehirn meint zu verstehen, und gibt falsche Informationen weiter. Selbstbetrug und Fehleinschätzung. Wie oft so etwas wohl im Leben passiert, ohne dass man es merkt? Man hält sein eigenes Verständnis für das Richtige, oft, ohne es zu hinterfragen. Ja, ein Schein trügt oft.
Das Wasser wirft jetzt vereinzelt Wellen, die Brücke liegt verlassen im fahlen Licht der untergehenden Sonne.

An diesem Abend sitzen sich die Menschen im Restaurant schweigend gegenüber, wie immer. Doch die Stille ist unendlich laut, begräbt die Personen unter sich. Sie können nicht ausdrücken, was sie denken, was sie meinen, was sie fühlen. Gefühle bleiben ungefühlt.
Einige blicken sehnsüchtig auf die Tasten des Klaviers, die schwarz und weiß im fahlen Licht der Lampen liegen. Sie bewegen sich nicht, der Hocker bleibt heute unbesetzt.
Stille.

Sonntag, 17. Juni 2012

Zwischen Wort und Tat.

"Nicht, was du sagst, ist wichtig, sondern, was du tust!"


Das stimmt. Denn ich kann mit deinen Worten nichts anfangen. Sie geben mir nichts. Sie halten mich nicht.
Aber sie können mir Mut machen! Sie können mir wehtun und mich zum Lachen bringen. Du hast mit ihnen die Macht mich zu vernichten und die Macht, mich wieder aufstehen zu lassen.
Worte können der letzte Todesstoß sein und sie können die rettende Hoffnung sein, an die ich mich im Ozean der Welt klammere. Worte, die mir alles bedeuten. Worte, die meine zerbrochene Welt zusammenhalten.
Mit Worten kannst du mich auf deine Seite ziehen. Du kannst mich manipulieren, beeindrucken und gewinnen.

Ohne Worte, kannst du nicht sagen Ich liebe dich! und nicht Du bist gut so, wie du bist!


Unterschätze niemals die Kraft der Worte!
Aber vergiss auch nie, dass die Taten als Beweise und Belege deine Worte stützen sollten.

Sag nicht nur, dass ich so genau richtig sei - zeig es mir!

Zeig mir, dass du hinter mir stehst! Dass du meine Entscheidungen akzeptierst und versuchst, sie zu verstehen. Dass ich dir wichtig bin, auch wenn ich mich verändere.
Und gib dir Mühe, mich so zu behandeln, wie ich es möchte.
Nutze meinen richtigen Namen und die richtigen Gesten.
Ich weiß, die sind nicht immer leicht zu finden, aber ich bitte dich, zeig mir, dass ich es wert bin!

Und ich verspreche dir, ich weiß es zu schätzen.


Danke für die unglaublich lieben Worte. In der Hoffnung, dass die passenden Taten folgen werden! :)

Dienstag, 12. Juni 2012

Wie man ein Jahr vergehen lässt.

Wie bringt man am schnellsten ein Jahr rum?

Erstmal: Es kann nur in Gedanken geschehen, denn rein objektiv betrachtet, dauert jedes Jahr genau gleich lang (zumindest wenn man mal von irgendwelchen mathematischen Ungenauigkeiten oder Schaltjahren absieht, was ich jetzt einfach mal tue).
Das heißt, man muss seinem eigenen Verstand vorspielen, das Jahr wäre kürzer. Man muss sich selbst verarschen.

Generell können viele Menschen das ganz gut. Sie verstecken sich vor sich selbst. In den hintersten Winkeln des eigenen Verstandes nisten sie sich ein - im Dunkeln, nicht zu entdecken. Sie belügen sich, reden sich die Unwahrheit ein. Und manchmal merken sie es noch nicht mal.
Und das ist gerade der Punkt: Meistens geschieht dieser Selbstbetrug unbewusst.

Wenn man offen versucht, sein Gehirn zu betrügen, um etwas zu erreichen, geschieht meistens das Gegenteil:
Wer einschlafen will und nur daran denkt, schafft es nicht.
Wer will, dass der Urlaub noch lange dauert, dem vergeht er viel zu schnell.
Und wer nur daran denkt, nicht aufzufallen, tut es oft am allermeisten.

Das Ziel muss also sein, sich einen anderen Wunsch einzureden. Man muss sich um zwei Ecken belügen.
Will man eigentlich, dass das Jahr schnell vergeht, muss man den Verstand glauben lassen, man würde dieses sehr genießen und am liebsten für immer in den Momenten stecken bleiben.
Aber ob ein solch geplanter Selbstbetrug gelingen kann?

Vielleicht ist der einfachste Weg auch, jeden Moment zu genießen und das Jahr nicht als Ganzes zu sehen, sondern jeden Tag als einzelnen, an dem es lohnt zu leben.
Dann wirkt das eine Jahr auch nicht mehr so bedrohlich lang.

Aber die Momente müssen so besonders sein, dass man das ewige Tagezählen vergisst...

Du auf der Klippe.

Du stehst auf einer Klippe. Unter dir ist kein Wasser. Unter dir ist keine Schlucht. Unter dir ist Nichts. Ungewissheit. Leere. Du weißt nicht, was passieren wird. Du weißt nicht, wo du landen wirst. Du weißt nur eins: Du musst springen.
Von hinten wirst du langsam aufgefressen. Das personifizierte Falsche nagt an dir. Es baut alle deine Zellen ab. Deine Gefühle und das Körperliche. Alles schwindet.
Aber davor hast du keine Angst. Du kennst sie, die Falschheit. Dein Leben lang hast du schon mit ihr verbracht. Ihr seid vielleicht nicht die besten Freunde, aber ihr kommt miteinander aus. Du fühlst dich nicht gänzlich unwohl in ihrer Gegenwart, aber dieser an dir zehrende Gedanke, dass das alles nicht richtig ist, lässt dich verzweifeln.
Du spürst, wie die Falschheit immer tiefer in dich eindringt. Auch von innen an dir herumknabbert. Du musst dich lösen, du musst!
Nur der grausame Sprung in das Undefinierbare kann dein Leben retten.
Kann! Aber nichts ist vorhersehbar an dieser Klippe des letzten Schrittes.

Tag für Tag kämpfst du dich weiter nach vorne an den Abgrund, der vielleicht unendlich weit nach unten führt. Du freust dich über jeden Schritt, aber mit diesen wächst auch die Angst. Die Angst vor dem, was am Ende noch kommen mag.

Und jetzt stehst du da. Merkst, dass deine Füße das Ende vom sicheren und bekannten Halt erreicht haben. Du spürst, wie dein Herz pochst. Hörst es. Merkst, wie sich alles in dir verkrampft. Dein Bauch tut weh. Er will nicht. Dein Körper weht sich gegen das drohende Nichts. Du wehrst dich. Du hast Angst. Grenzenlose Angst. Unbeschreibliche Angst. Angst vor dem Ungewissen. Angst vor Nichts.
Was wird wohl passieren? Wo wirst du wohl landen? Was werden die anderen tun? Was wird da auf dich warten?
Fragen über Fragen. Chaos im Kopf. Du kannst keinen klaren Gedanken fassen. Alles dreht sich. Alles hämmert in dir. Herzen. Gedanken. Willst nicht. Kannst nicht. Aber musst!

Und dann springst du.

Ungewissheit.

Erwarten.

Sie fangen dich! Sie sind alle da! Freuen sich! Sind bei dir!
Du bist nicht allein.
Sie greifen nach dir.
Sie geben dir Wärme. Und Liebe. Alles.
Das, was du immer wolltest.

Die ganze Angst ... umsonst!

Du hättest schon viel früher springen können.
Aber auch das "hätte" macht nichts mehr aus. Der Moment zählt. Es ist schön! Es kann so weitergehen! Das ist der richtige Weg!
Du lebst.
Ehrlich.

Montag, 11. Juni 2012

Szenarien.

Male dir neunundneunzig Variationen aus, und du stolperst in Szenario Nummer hundert.

[Andreas Steinhöfel - Die Mitte der Welt]


So geht es mir gerade.
Zumindest so wie in dem ersten Teil des Zitates: Ich denke mir Variationen aus. Nicht nur neunundneunzig, sondern tausende. Immer wieder neue. Immer mehr. Weil ich ja eigentlich genau weiß, dass es nie so passieren wird, wie ich es mir vorstelle.
Ich versuche, alles abzudecken, was nur sein kann. Und ich werde trotzdem in das hundertste - tausendste, millionenste - Szenario stolpern.

Die Schule wird nach keinem festen Stundenplan ablaufen, da wir einen Projekttag haben. Daher habe ich auch keinen Zeitplan, an dem ich mich festklammern kann, der mir Sicherheit und eine gewisse Vorrausschaubarkeit bieten würde.
Ich muss mich spontan der aufkommenden Situation stellen. Spontan überlegen, welche Worte ich wähle, an wen ich sie wann richte und kann somit die Konsequenzen noch weniger einschätzen. Ich kann sie sogar gar nicht einschätzen.

Es wird passieren. Irgendwie. Irgendwann. Mit irgendwelchen Worten.
Ich werde es schaffen, da bin ich mir sicher.
Aber die Spontanität macht mich fertig. Ich habe Bauchschmerzen, ich habe Angst. Wirklich richtige Angst. Und diesmal erlaube ich der Angst auch, sich zu zeigen.
Es ist ok, davor Angst zu haben.
Es wird mein Leben verändern.
Es wird mich verändern.

Ich freue mich darauf. Ich will, dass es raus ist. Ich hoffe, dass es eine Erlösung sein wird. Dass mein Bauch, mein gesamter Körper, sich dann wieder entspannen werden.

Dass ich mich frei fühlen werde. Sicher und leicht. Wenn diese Last des Geheimnisses von meinen Schultern fällt.

Mehr als hoffen geht nicht. Ich muss mich damit abfinden, keinen Plan zu haben.

Sonntag, 10. Juni 2012

Gedankenmatsch.

Ich war dieses Wochenende zweimal mit Freunden unterwegs. Einmal mit Alkohol und einmal so ziemlich ohne.
Ohne kann ich mich nicht öffnen, ich kann den Spaß der anderen nicht fühlen, es geht nicht. Ich lasse mich von den anderen einzwängen.
Von den Gedanken, die sie vielleicht denken, aber nicht aussprechen.
Von den Gefühlen, die sie vielleicht empfinden, aber nicht zeigen.
Von Erwartungen, die sie vielleicht haben, aber nicht verraten.

Ich versuche, andere einzuschätzen, und merke, dass ich es nicht kann. Trotzdem überlege ich tausende mögliche Gedanken der Personen um mich herum und mache mich klein.
Ich will alles richtig machen, allen das geben, was sie erwarten, und verkrampfe mich dadurch selbst. So sehr, dass ich nichts mehr geben kann.
In meinem Kopf hämmert es nur noch. Es gibt so vieles, woran ich denke, so viel, von dem ich davon ausgehe, dass ich es tun muss, so viel, was ich falsch machen kann.

Ich versinke in mir selbst, habe so viele Gedanken, dass daraus eine eigene Welt entsteht. Meine unsichtbare Welt, in die ich mich täglich flüchte.
Ich versuche, auszubrechen. Und immer wieder kommen diese freien Momente, in denen ich den Kopf aus meinem Inneren strecke und auch die Welt der anderen sehe. Aber mein Gedankenkäfig bietet mir so viel Sicherheit, dass allein der Wille, mich aus ihm befreien zu wollen, eine auf Dauer wie eine unlösbare Aufgabe scheint.