Einen To-Do-Punkt abhaken und dann plötzlich nichts mehr zu tun zu haben. Nichts. Keine in den Hintergrund des Gewissens gedrängte Aufgabe, die schon seit Wochen aufgeschoben wird. Auch nichts, was man immer schon mal machen wollte, aber doch nie dazu gekommen ist. Alles ist erledigt.
Man kann sich hinlegen und sagen: "Ich habe alles geschafft". Ausnahmslos.
Das wünsche ich mir.
Aber geht das überhaupt?
Aus so vielen erledigten Aufgaben ergeben sich automatisch neue. Hausaufgaben gibt es auch fast jeden Tag. Saubermachen kann man immer. Lässt es sich ohne langfristige Ziele überhaupt leben?
Ich kenne die Antworten nicht. Denn ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal reinen Gewissens sagen konnte: "Ja, ich habe alles geschafft."
Immer ist etwas. Immer will jemand was. Immer will ich was.
Und das muss ja auch nicht schlecht sein:
Eine To-Do-Liste zu haben (ob auf Papier oder im Kopf) bedeutet, Ziele zu haben. Noch etwas, was es zu erreichen gibt. Ein Leben, das es zu (er)leben gibt.
Immer noch Dinge, die man abhaken kann, um dann zu sagen: "Ja, ich habe was geschafft." Was. Aber nicht alles. Nie alles. "Alles" gibt es gar nicht.
Es ist nichts Schlechtes, offene Erledigungen zu haben. Aber es wird zu etwas Schlechtem, wenn die Gedanken um nichts anderes kreisen. Wenn man sich über keinen Schritt freuen kann, weil man schon weiß, was als nächstes sein muss.
Wenn man im Kopf dauernd die vielen unerledigten Punkte sieht. Alles muss noch getan werden. Alles wird erwartet.
Es geht nur um Haken, Haken, Haken.
Alles wird in Listen gemessen.
Keine Gefühle.
Nur machen!
Richtig oder falsch.
Fertig oder nicht.
Ich bin fertig. Das ist falsch.
Machen, machen, machen!
Ein Ende ist nicht eingeplant.
Was, wenn ich nicht mehr kann?
Montag, 13. August 2012
Sonntag, 12. August 2012
Das Geheimnis der Namen.
Dein Name sagt etwas über dich aus. Denkst du dir. Dabei gibt nicht der Name dir etwas, sondern du dem Namen.
Du füllst das Wort mit Leben. Du passt den Namen an deinen Charakter an. Du baust dir etwas auf.
Dein Name ist nicht so einzigartig, wie du es bist.
Die Anna aus dem Nachbardorf ist ganz anders als du.
Der Tim aus der Parallelklasse ist nicht zu vergleichen mit dem Jungen, den du in dir siehst.
Und doch ist dein Name so etwas wie die Überschrift zu dir. Du hast dich daran gewöhnt. Und er gehört dir allein.
Könntest du ihn ändern?
Beginnt mit einem neuen Namen ein neues Leben?
Können sich andere daran gewöhnen?
Fühlst du dich angesprochen?
Nein... Es wird immer komisch bleiben.
Es wird immer etwas Falsches an sich haben.
Ein neuer Name wird nie wieder so selbstverständlich über die Lippen kommen wie der, den du seit der Geburt getragen hast.
Probier es aus.
Und wenn du es mit Gegenständen machst.
Ein Tisch ist kein Tisch mehr. Er ist ein Bett.
Ein Schreibbett.
Ein Essbett.
Das Bett decken.
Du schreibst auf einem Bett.
Du sitzt an einem Bett.
Dein Schulbett ist schon ganz bekritzelt. Auch wenn die Lehrer immer mahnen: "Nicht auf die Betten schreiben!" Denn die Betten sind Schuleigentum!
Du kannst es schaffen.
Aber es wird immer falsch klingen. Du wirst immer wissen, dass es falsch ist.
Es ist nur ein Wort. Es ist nicht der wahre Name.
Der, der in einem Wort so viel aussagen kann. Über dich. Über mich. Über die Welt.
Du füllst das Wort mit Leben. Du passt den Namen an deinen Charakter an. Du baust dir etwas auf.
Dein Name ist nicht so einzigartig, wie du es bist.
Die Anna aus dem Nachbardorf ist ganz anders als du.
Der Tim aus der Parallelklasse ist nicht zu vergleichen mit dem Jungen, den du in dir siehst.
Und doch ist dein Name so etwas wie die Überschrift zu dir. Du hast dich daran gewöhnt. Und er gehört dir allein.
Könntest du ihn ändern?
Beginnt mit einem neuen Namen ein neues Leben?
Können sich andere daran gewöhnen?
Fühlst du dich angesprochen?
Nein... Es wird immer komisch bleiben.
Es wird immer etwas Falsches an sich haben.
Ein neuer Name wird nie wieder so selbstverständlich über die Lippen kommen wie der, den du seit der Geburt getragen hast.
Probier es aus.
Und wenn du es mit Gegenständen machst.
Ein Tisch ist kein Tisch mehr. Er ist ein Bett.
Ein Schreibbett.
Ein Essbett.
Das Bett decken.
Du schreibst auf einem Bett.
Du sitzt an einem Bett.
Dein Schulbett ist schon ganz bekritzelt. Auch wenn die Lehrer immer mahnen: "Nicht auf die Betten schreiben!" Denn die Betten sind Schuleigentum!
Du kannst es schaffen.
Aber es wird immer falsch klingen. Du wirst immer wissen, dass es falsch ist.
Es ist nur ein Wort. Es ist nicht der wahre Name.
Der, der in einem Wort so viel aussagen kann. Über dich. Über mich. Über die Welt.
Donnerstag, 2. August 2012
Das Gesicht des Todes.
Wie sieht es aus, wenn Menschen sterben?
Ich meine nicht den letzten Atemzug, das letzte Keuchen, bevor sich der Brustkorb nie wieder hebt und senkt und kein Blut mehr durch die Adern fließt. Was ich meine, ist ein innerlicher Tod. Wenn der Körper nur noch eine Hülle ist, die nichts als Leere beherbergt. Wenn alle Gefühle dem endlosen Nichts weichen, die Farben schwinden und Bewegungen nur noch stumpfe Mechanik sind.
Tot. Und doch mit Pulsschlag.
Viele lassen sich leicht täuschen. Sie gehen davon aus, dass Menschen, die sich bewegen, auch leben. Wer mit ihnen spricht, ist nicht tot.
Und doch kann es sein, dass in genau diesem Moment leben mit purer Existenz verwechselt wird.
Nur wer achtsam ist, seine Blicke länger auf einer Person lässt und sich auch von Andersartigem nicht abschrecken lässt, kann solch einen Tod beobachten.
Diese Person kann die Kälte fühlen, die sich in einem anderen ausbreitet und ihn zu Boden wirft. Innerlich.
Die Augen werden leerer, der Blick ist quasi nach innen gelenkt. Dahin, wo der Kampf tobt. Wo sich der Tod unaufhaltsam ausbreitet.
Bewegungen werden langsamer.
Berührungen und Kontakt vermieden. Denn andere Menschen kosten so viel Kraft. Reden kostet Kraft. Lachen ist zu einer unmöglichen Aufgabe geworden.
Die Gesichtszüge werden ausdruckslos.
Der Körper kann andere wärmen, aber bei einem Blick in die Augen des Sterbenden beginnt man, zu frieren.
Und selbst wenn man den voranschreitenden Tod erkennt? Wie kann man helfen? Wie kann man eine Person retten, von der man weiß, sie liegt im Sterben? Doch das Sterben ist nicht sichtbar.
Niemand glaubt einem. Vielleicht nicht einmal derjenige selbst.
Der Tod nimmt die Person neben mir. Er lacht mich aus. Er weiß, ich sehe ihn. Und er weiß, ich kann ihn trotzdem nicht aufhalten.
Versagen. Unterlassene Hilfeleistung. Darauf steht Strafe nach dem Gesetz.
Aber man kann nicht bestrafen, was keiner sehen will.
Ich meine nicht den letzten Atemzug, das letzte Keuchen, bevor sich der Brustkorb nie wieder hebt und senkt und kein Blut mehr durch die Adern fließt. Was ich meine, ist ein innerlicher Tod. Wenn der Körper nur noch eine Hülle ist, die nichts als Leere beherbergt. Wenn alle Gefühle dem endlosen Nichts weichen, die Farben schwinden und Bewegungen nur noch stumpfe Mechanik sind.
Tot. Und doch mit Pulsschlag.
Viele lassen sich leicht täuschen. Sie gehen davon aus, dass Menschen, die sich bewegen, auch leben. Wer mit ihnen spricht, ist nicht tot.
Und doch kann es sein, dass in genau diesem Moment leben mit purer Existenz verwechselt wird.
Nur wer achtsam ist, seine Blicke länger auf einer Person lässt und sich auch von Andersartigem nicht abschrecken lässt, kann solch einen Tod beobachten.
Diese Person kann die Kälte fühlen, die sich in einem anderen ausbreitet und ihn zu Boden wirft. Innerlich.
Die Augen werden leerer, der Blick ist quasi nach innen gelenkt. Dahin, wo der Kampf tobt. Wo sich der Tod unaufhaltsam ausbreitet.
Bewegungen werden langsamer.
Berührungen und Kontakt vermieden. Denn andere Menschen kosten so viel Kraft. Reden kostet Kraft. Lachen ist zu einer unmöglichen Aufgabe geworden.
Die Gesichtszüge werden ausdruckslos.
Der Körper kann andere wärmen, aber bei einem Blick in die Augen des Sterbenden beginnt man, zu frieren.
Und selbst wenn man den voranschreitenden Tod erkennt? Wie kann man helfen? Wie kann man eine Person retten, von der man weiß, sie liegt im Sterben? Doch das Sterben ist nicht sichtbar.
Niemand glaubt einem. Vielleicht nicht einmal derjenige selbst.
Der Tod nimmt die Person neben mir. Er lacht mich aus. Er weiß, ich sehe ihn. Und er weiß, ich kann ihn trotzdem nicht aufhalten.
Versagen. Unterlassene Hilfeleistung. Darauf steht Strafe nach dem Gesetz.
Aber man kann nicht bestrafen, was keiner sehen will.
Mittwoch, 1. August 2012
Krieg. Ohne Ende.
Am Fenster fliegen die Bäume, die Menschen, das Leben vorbei. Stationen werden durchgesagt.
"Bitte rechts aussteigen!"
"Achtung, der Zug fährt ab!"
"Die Türen schließen."
Die nächste muss ich raus.
Ich erhebe mich von meinem Fensterplatz, gehe die paar Schritte zur Tür, drücke auf den Knopf und trete hinaus.
Aber nur in meinen Gedanken. So stelle ich mir den Ablauf vor. So sollte es sein. So einfach.
In der Realität kann ich mich nicht bewegen. Ich sitze. Gewichte hängen an meinen Armen, an meinen Beinen, stecken in meinen Schuhen. Jede Bewegung fällt so schwer.
Ich benötige meine gesamte Willenskraft, mich selbst dazu zu bewegen, aufzustehen. Wie geht es nochmal? Wie macht man das?
Ich muss mich an einer Stange festhalten, mich hochzuziehen, mich auf meine eigenen Beine zerren. Wie ein alter Mann brauche ich all meine Konzentration dafür, meine Körperteile davon zu überzeugen, nicht nachzugeben und mir zu gehorchen.
Zur Tür, nur ein kurzer Weg. Ein Fuß vor den anderen. Es ist so einfach. Es sollte so einfach sein.
Jeder Schritt fordert unglaubliche Kräfte. Der Zug hält, die Türen öffnen sich, nicht so langsam, ich muss raus!
Rechter Fuß.
Linker Fuß.
Rechter Fuß.
Grooooooßer Schritt.
Und ich stehe am Bahnsteig. Ich schwitze am ganzen Körper.
Ich kann nicht mehr stehen, brauche eine Bank.
Wo ist die nächste?
Zu weit. Das traue ich mir nicht zu. Lieber einfach stehen bleiben. Ein stiller Appell an meine Beine, bloß nicht nachzugeben. Einfach das Gewicht halten.
3 Minuten, dann kommt der Zug, in den ich einsteigen muss. Am Nachbargleis. 5 Schritte.
Stehen bleiben.
Noch 2 Minuten.
Ich kann nicht mehr atmen, bekomme keine Luft.
Konzentration!
Einatmen.
Ausatmen.
Noch eine Minute.
Nicht umfallen.
Luft rein.
Luft raus.
Der Zug kommt.
Ich sollte ein wenig näher ans Gleis treten.
Er hält.
5 Schritte noch.
Die Türen öffnen sich.
Meine Beine bewegen sich nicht.
Ein Fuß vor den anderen.
Der Zug ist voll. Es ist heiß. Ich kann mich nicht hinsetzen. Stattdessen versuche ich mich gegen eine Scheibe zu lehnen. Ich kralle mich an zwei Stangen fest. Um die Balance zu halten. Und um die Beine zu entlasten, die kurz davor sind, einfach zusammenzuknicken.
Es ist bloß eine Station, der Zug wird schon langsamer.
Gut, dass ich so nah am Ausgang stehe.
Nur ein großer Schritt und ...
Ich stehe wieder am Bahnsteig.
Menschen laufen an mir vorbei, eilen zu den Ausgängen. Sie wollen weiter. Vielleicht nach Hause. Ich will auch weiter.
Also wieder ein Fuß vor den anderen setzen. Gehen.
Links.
Rechts.
Oh, atmen nicht vergessen!
Einatmen. Links.
Ausatmen. Rechts.
So viel auf einmal. Mein Kopf droht zu platzen. Er scheint nicht in der Lage, zwei Sachen gleichzeitig zu koordinieren.
Die Treppe scheint wie ein unüberwindbares Hindernis.
Ich blicke an ihr hinauf und frage mich, ob ich es wohl je bis ganz nach oben schaffen werde.
Ich muss!
Also wieder volle Konzentration auf die Beine.
Auf einer Stufe steht mit Graffiti "Nice smile" geschrieben. Ich liebe solche kleinen Botschaften. Ich würde sofort lächeln. Es würde mir gefallen. Ich würde Pläne schmieden, wie auch ich solche Sätze an öffentliche Plätze schreiben werde.
Aber nicht heute.
Heute rühren sich meine Mundwinkel nicht. Es wäre zu anstrengend.
Atmen und Beine.
Atmen und Beine.
Weiter.
Weiter.
Weiter.
Und ich muss noch weiter!
Die Straße entlang, ein Fuß vor den anderen setzen.
Meine Arme hängen nutzlos an mir herab. Sie sind nur zusätzliche Gewichte, die meinen Körper beschweren. Ich würde sie gerne abschneiden. Vielleicht könnte ich mich dann schneller bewegen. Vielleicht wäre ich dann eleganter. Vielleicht könnte ich laufen.
Ich konzentriere mich weiter auf meine Füße.
Bloß nicht stehen bleiben. Einfach normal aussehen. Keiner soll ahnen, dass in mir ein Kampf tobt.
Ich vs. Ich. Runde 4297.
Wer gewinnt, ist nicht klar.
Ich versuche, meine Schritte zu zählen.
1
2
3
4
5
Weiter komme ich nicht, länger kann ich mich nicht darauf konzentrieren. Die Gedanken schwimmen in meinem Kopf wie vergessenes Gemüse in der Fleischsuppe. Es wird immer matschiger. Immer schwerer zu greifen.
Die Tür.
Öffnen.
Treppe. Hoch.
Nächste Tür.
Öffnen.
Rein.
Auf mein Bett fallen lassen.
Nicht mehr bewegen.
Nicht mehr atmen.
Liegen.
Liegen.
Liegen.
Ich bin angekommen.
Habe ich jetzt gewonnen
Oder verloren?
Montag, 16. Juli 2012
Gefangen, gefesselt, gequält!
"Wie schmerzhaft ist es, in dem Äußeren ganz stark und frei zu sein, indessen man im Innern ganz schwach ist, wie ein Kind, ganz gelähmt, als wären uns alle Glieder gebunden."
[Heinrich von Kleist]
Die Ketten sind um mich gelegt. Jeden Tag werden sie enger. Sie ziehen mich in die Tiefe, gewähren mir keinen Zentimeter, mich zu bewegen.
Ich werde hinabgezogen. Immer weiter. Immer stärker reißen sie an mir.
Ich kann mich nicht festhalten. Meine Arme sind eng an meinen Körper gebunden. Gegen das Gewicht meiner Fesseln kann ich nicht gewinnen.
Meine Beine lassen sich nicht bewegen, auch hier starre Fußfesseln. Ich denke ans Gehen, ans Laufen, ans Rennen. Ich spüre, wie der Boden unter meinen Fußspitzen vorbeifliegt. Nur ganz kurz berühre ich ihn, nach weniger als einem Atemzug bin ich schon wieder in der Luft. Es ist wie fliegen. Es ist Bewegung. Es ist leben.
Ich lebe nicht. Ich kann mich nicht bewegen.
Nur in eine Richtung. In die Tiefe.
Ich sollte das nicht über mich ergehen lassen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist! Ich weiß, dass es mich umbringen wird.
Wenn ich erstmal auf dem Boden liege mit all dem Gewicht der Eisenfesseln, werde ich nie wieder aufstehen können.
Ich werde auf dem nackten Beton erfrieren.
Innerlich.
Denn andere werden die Kälte nicht spüren. Sie werden nur die angenehmen 23 Grad messen. Raumtemperatur. Und auch der Boden wird nicht aus Beton sein. Teppich.
Sie werden auch die Fesseln, die sich um meinen kompletten Körper wickeln, nicht entdecken.
Niemand war lange genug in dem Haus, das mein Gefängnis ist.
Niemand wurde Tag für Tag in engere Ketten gelegt.
Niemand war so lange Angriffsfläche für die eisige Kälte, an der ich erfriere werde.
Es sei denn ich schaffe es, die Fesseln zu lockern.
So weit, dass ich laufen kann. Den Boden spüren. Rennen. Freiheit.
Und schnell sein. Weg, nur weg.
Aus dem Haus, in das Wärme niemals Einzug finden wird.
Es ist so kalt hier, dass jeder sterben wird, der nicht rechtzeitig die Ketten löst.
Doch die ziehen sich Tag für Tag nur noch fester.
Warum sollte ich schaffen, was so ausweglos erscheint?
[Heinrich von Kleist]
Die Ketten sind um mich gelegt. Jeden Tag werden sie enger. Sie ziehen mich in die Tiefe, gewähren mir keinen Zentimeter, mich zu bewegen.
Ich werde hinabgezogen. Immer weiter. Immer stärker reißen sie an mir.
Ich kann mich nicht festhalten. Meine Arme sind eng an meinen Körper gebunden. Gegen das Gewicht meiner Fesseln kann ich nicht gewinnen.
Meine Beine lassen sich nicht bewegen, auch hier starre Fußfesseln. Ich denke ans Gehen, ans Laufen, ans Rennen. Ich spüre, wie der Boden unter meinen Fußspitzen vorbeifliegt. Nur ganz kurz berühre ich ihn, nach weniger als einem Atemzug bin ich schon wieder in der Luft. Es ist wie fliegen. Es ist Bewegung. Es ist leben.
Ich lebe nicht. Ich kann mich nicht bewegen.
Nur in eine Richtung. In die Tiefe.
Ich sollte das nicht über mich ergehen lassen. Ich weiß, dass es nicht richtig ist! Ich weiß, dass es mich umbringen wird.
Wenn ich erstmal auf dem Boden liege mit all dem Gewicht der Eisenfesseln, werde ich nie wieder aufstehen können.
Ich werde auf dem nackten Beton erfrieren.
Innerlich.
Denn andere werden die Kälte nicht spüren. Sie werden nur die angenehmen 23 Grad messen. Raumtemperatur. Und auch der Boden wird nicht aus Beton sein. Teppich.
Sie werden auch die Fesseln, die sich um meinen kompletten Körper wickeln, nicht entdecken.
Niemand war lange genug in dem Haus, das mein Gefängnis ist.
Niemand wurde Tag für Tag in engere Ketten gelegt.
Niemand war so lange Angriffsfläche für die eisige Kälte, an der ich erfriere werde.
Es sei denn ich schaffe es, die Fesseln zu lockern.
So weit, dass ich laufen kann. Den Boden spüren. Rennen. Freiheit.
Und schnell sein. Weg, nur weg.
Aus dem Haus, in das Wärme niemals Einzug finden wird.
Es ist so kalt hier, dass jeder sterben wird, der nicht rechtzeitig die Ketten löst.
Doch die ziehen sich Tag für Tag nur noch fester.
Warum sollte ich schaffen, was so ausweglos erscheint?
Mittwoch, 27. Juni 2012
Ordnung ins Chaos bringen.
Gedanken ordnen wie Dokumente und Dateien.
Ich baue mir Regale in meinem Gehirn.
Packe Gedanken in Kisten und verschließe sie dann. Die einen kommen nach rechts, die anderen nach links. Mit Post-it-Stickern mache ich die Schachteln und Boxen erkennbar.
Schule: Mathe
Erinnerung: Januar 2010
Träume, Ideen, Wünsche
Ich räume und räume und räume. Minutenlang. Stundenlang. Die ganze Zeit verbringe ich in meinem Kopf. Die Augen geschlossen, die Außenwelt vergessen.
Und trotzdem lichtet sich das Chaos nicht.
Die Regale quillen über, der Gehirnboden bleibt mit Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Träumen, Plänen bedeckt. Immer Neues kommt mir in den Sinn und vergrößert das Durcheinander.
Einige Kisten fallen wieder aus den Regalen, die Deckel springen auf. Es sind Gedanken, die sich nicht unterkriegen lassen wollen, sie wollen nicht in Regalen einstauben, sie wollen nicht vergessen und verdrängt werden.
Gedanken, die ich noch nicht zu Ende gedacht habe.
Erinnerungen, die ich verbannen will.
Wissen, das unnütz ist.
Die Regale wollen unter der Last der Kisten nachgeben, wollen brechen, einstürzen und das Chaos meiner Gedanken noch mit Holzsplittern erweitern.
Resigniert gebe ich auf und schmeiße Boxen und deren Inhalte zurück auf den Boden.
Der Gedankenhaufen vergrößert sich in einer nicht zu stoppenden Geschwindigkeit. Ich kämpfe gegen die Zeit, versuche schneller auszumisten als ich denken kann.
Aber vergebens.
Mein Kopf droht zu platzen. Es wird eng.
Von innen drückt alles, was ich eben in Regalen aufreihen wollte, auf meine Haut und meine Knochen.
Die Kopfschmerzen sind nicht auszuhalten.
Das Innenleben meines Gehirns muss rausgelassen werden.
Aber die einzige Möglichkeit dafür wäre ein Loch im Kopf.
Stattdessen überlasse ich es einer Aspirin-Tablette in meinem Gehirn aufzuräumen.
Bis zum nächsten Aufbegehren meiner Innereien.
Gedanken ordnen geht so nicht!
Ich baue mir Regale in meinem Gehirn.
Packe Gedanken in Kisten und verschließe sie dann. Die einen kommen nach rechts, die anderen nach links. Mit Post-it-Stickern mache ich die Schachteln und Boxen erkennbar.
Schule: Mathe
Erinnerung: Januar 2010
Träume, Ideen, Wünsche
Ich räume und räume und räume. Minutenlang. Stundenlang. Die ganze Zeit verbringe ich in meinem Kopf. Die Augen geschlossen, die Außenwelt vergessen.
Und trotzdem lichtet sich das Chaos nicht.
Die Regale quillen über, der Gehirnboden bleibt mit Gedanken, Gefühlen, Wünschen, Träumen, Plänen bedeckt. Immer Neues kommt mir in den Sinn und vergrößert das Durcheinander.
Einige Kisten fallen wieder aus den Regalen, die Deckel springen auf. Es sind Gedanken, die sich nicht unterkriegen lassen wollen, sie wollen nicht in Regalen einstauben, sie wollen nicht vergessen und verdrängt werden.
Gedanken, die ich noch nicht zu Ende gedacht habe.
Erinnerungen, die ich verbannen will.
Wissen, das unnütz ist.
Die Regale wollen unter der Last der Kisten nachgeben, wollen brechen, einstürzen und das Chaos meiner Gedanken noch mit Holzsplittern erweitern.
Resigniert gebe ich auf und schmeiße Boxen und deren Inhalte zurück auf den Boden.
Der Gedankenhaufen vergrößert sich in einer nicht zu stoppenden Geschwindigkeit. Ich kämpfe gegen die Zeit, versuche schneller auszumisten als ich denken kann.
Aber vergebens.
Mein Kopf droht zu platzen. Es wird eng.
Von innen drückt alles, was ich eben in Regalen aufreihen wollte, auf meine Haut und meine Knochen.
Die Kopfschmerzen sind nicht auszuhalten.
Das Innenleben meines Gehirns muss rausgelassen werden.
Aber die einzige Möglichkeit dafür wäre ein Loch im Kopf.
Stattdessen überlasse ich es einer Aspirin-Tablette in meinem Gehirn aufzuräumen.
Bis zum nächsten Aufbegehren meiner Innereien.
Gedanken ordnen geht so nicht!
Donnerstag, 21. Juni 2012
Vom Tod der Stille.
Wenn man jetzt ganz still ist, kann man das Klappern von
Tellern und Besteck hören. Manchmal auch die Worte der jungen Kellnerinnen:
„Möchten Sie noch etwas? Ist alles gut bei Ihnen?“
Wahrscheinlich ist das bei niemandem der Fall. Wann ist schließlich schon mal alles gut? Wann merkt man im Leben, dass wirklich alles gut ist?
Das Geräusch, das ganz im Vordergrund liegt, sind die leisen Klavierklänge. Die Gäste lassen die Töne auf sich wirken und die verschiedenen Melodien verbinden sie mit ganz unterschiedlichen Dingen. Sie versinken in ihren Gedanken, ihren Gefühlen, in sich selbst. Sie kommen zur Ruhe. Sie werden eins mit der Musik. Fühlen sich verstanden.
Und auch der Klavierspieler fühlt sich verstanden. Auf eine andere Weise. Mit den Klängen erzählt er seine ganz eigene Geschichte. Er kehrt sein Innerstes nach außen, ist für diesen Moment verletzlich und angreifbar. Doch er weiß, er ist sicher. Auch die Zuhörer sind ganz mit sich selbst beschäftigt. Sie erkennen diese eine Botschaft des Musikers nicht, denken sich vielmehr ihre ganz eigenen.
Wahrscheinlich ist das bei niemandem der Fall. Wann ist schließlich schon mal alles gut? Wann merkt man im Leben, dass wirklich alles gut ist?
Das Geräusch, das ganz im Vordergrund liegt, sind die leisen Klavierklänge. Die Gäste lassen die Töne auf sich wirken und die verschiedenen Melodien verbinden sie mit ganz unterschiedlichen Dingen. Sie versinken in ihren Gedanken, ihren Gefühlen, in sich selbst. Sie kommen zur Ruhe. Sie werden eins mit der Musik. Fühlen sich verstanden.
Und auch der Klavierspieler fühlt sich verstanden. Auf eine andere Weise. Mit den Klängen erzählt er seine ganz eigene Geschichte. Er kehrt sein Innerstes nach außen, ist für diesen Moment verletzlich und angreifbar. Doch er weiß, er ist sicher. Auch die Zuhörer sind ganz mit sich selbst beschäftigt. Sie erkennen diese eine Botschaft des Musikers nicht, denken sich vielmehr ihre ganz eigenen.
Wenn man in diesem Raum ganz still ist, kann man nirgendwo
Musik hören. Nur Rufe, Schreie, Lärm, Besteck, wie es über Teller kratzt,
Schmatzen und Lachen. Alle Studenten sind hier versammelt, tun so, als würden
sie nicht schmecken und nicht sehen, was sie so gierig in den Mund schieben.
Die Tische sind gut gefüllt. Bis auf einen.
Dort sitzt jemand ganz allein. In monotoner Handbewegung schiebt er sich einen Bissen nach dem anderen in den Mund. Sein Blick ist starr auf den Teller gerichtet, dennoch scheint er nicht wahrzunehmen, was vor ihm liegt.
Ein junger Mann bewegt sich durch den Raum und stößt dem Alleinsitzenden im Vorbeigehen mit der Hand gegen den Hinterkopf. Einige Zuschauer lachen, während der einsame Student seine Handbewegungen weiter ausführt. Er scheint auch nicht zu hören, was die anderen ihm zurufen. Nicht das Lachen, nicht die Worte. Woran er wohl gerade denkt? Ob er wohl in seiner eigenen Welt versinkt?
Auch als ein Mädchen ihm den Teller wegnimmt, bleibt sein Blick auf den Tisch gerichtet, die Gabel noch in der Hand. Fünf Leute stehen nun um ihn herum. Er ist nicht mehr allein, aber wahrscheinlich einsamer als zuvor.
Die Tische sind gut gefüllt. Bis auf einen.
Dort sitzt jemand ganz allein. In monotoner Handbewegung schiebt er sich einen Bissen nach dem anderen in den Mund. Sein Blick ist starr auf den Teller gerichtet, dennoch scheint er nicht wahrzunehmen, was vor ihm liegt.
Ein junger Mann bewegt sich durch den Raum und stößt dem Alleinsitzenden im Vorbeigehen mit der Hand gegen den Hinterkopf. Einige Zuschauer lachen, während der einsame Student seine Handbewegungen weiter ausführt. Er scheint auch nicht zu hören, was die anderen ihm zurufen. Nicht das Lachen, nicht die Worte. Woran er wohl gerade denkt? Ob er wohl in seiner eigenen Welt versinkt?
Auch als ein Mädchen ihm den Teller wegnimmt, bleibt sein Blick auf den Tisch gerichtet, die Gabel noch in der Hand. Fünf Leute stehen nun um ihn herum. Er ist nicht mehr allein, aber wahrscheinlich einsamer als zuvor.
Aus dem kleinen Restaurant an der Ecke sind wieder Klavierklänge
zu hören.
Menschen sitzen sich an den vielen Tischen gegenüber und lächeln sich an. Sie sind froh, dass niemand spricht, dass niemand sprechen muss. Die Musik transportiert Gefühle. Und auch über die traurigen Moll-Klänge sind die Gäste froh, denn sie fühlen etwas, sie spüren sich und wissen, sie sind am Leben und mit ihren Emotionen nicht allein, auch wenn der Partner ganz andere haben mag.
Hier finden sie die Ruhe, die sie im Alltag verzweifelt suchen, wo, nicht zu reden, gleich Stille bedeutet. Stille und Stillstand. Stille, aus der Spannung folgt.
Hier weiß jeder zu schätzen, dass kein Wort gesprochen wird. Diese Art der Verständigung ist ehrlich und trifft die Menschen in ihrem tiefsten Kern.
Menschen sitzen sich an den vielen Tischen gegenüber und lächeln sich an. Sie sind froh, dass niemand spricht, dass niemand sprechen muss. Die Musik transportiert Gefühle. Und auch über die traurigen Moll-Klänge sind die Gäste froh, denn sie fühlen etwas, sie spüren sich und wissen, sie sind am Leben und mit ihren Emotionen nicht allein, auch wenn der Partner ganz andere haben mag.
Hier finden sie die Ruhe, die sie im Alltag verzweifelt suchen, wo, nicht zu reden, gleich Stille bedeutet. Stille und Stillstand. Stille, aus der Spannung folgt.
Hier weiß jeder zu schätzen, dass kein Wort gesprochen wird. Diese Art der Verständigung ist ehrlich und trifft die Menschen in ihrem tiefsten Kern.
An diesem Abend geht der einsame Student nicht wie sonst von
der Uni direkt zu seinem Arbeitsplatz.
Er steht auf der Brücke der Stadt und blickt in das Wasser unter ihm. Wie es sich kräuselt, wie es der Strömung folgt, wie viele kleine Einzelteile ein großes Ganzen bilden. Es fließt immer weiter, nie bleibt es stehen. Ein ewiger Kreislauf, der Kreislauf des Lebens.
Der Student lächelt.
Die Oberfläche des Flusses ist glatt, er scheint ganz still dazuliegen und ist doch in Bewegung. Der Schein trügt. Unser Auge sieht, unser Gehirn meint zu verstehen, und gibt falsche Informationen weiter. Selbstbetrug und Fehleinschätzung. Wie oft so etwas wohl im Leben passiert, ohne dass man es merkt? Man hält sein eigenes Verständnis für das Richtige, oft, ohne es zu hinterfragen. Ja, ein Schein trügt oft.
Das Wasser wirft jetzt vereinzelt Wellen, die Brücke liegt verlassen im fahlen Licht der untergehenden Sonne.
Er steht auf der Brücke der Stadt und blickt in das Wasser unter ihm. Wie es sich kräuselt, wie es der Strömung folgt, wie viele kleine Einzelteile ein großes Ganzen bilden. Es fließt immer weiter, nie bleibt es stehen. Ein ewiger Kreislauf, der Kreislauf des Lebens.
Der Student lächelt.
Die Oberfläche des Flusses ist glatt, er scheint ganz still dazuliegen und ist doch in Bewegung. Der Schein trügt. Unser Auge sieht, unser Gehirn meint zu verstehen, und gibt falsche Informationen weiter. Selbstbetrug und Fehleinschätzung. Wie oft so etwas wohl im Leben passiert, ohne dass man es merkt? Man hält sein eigenes Verständnis für das Richtige, oft, ohne es zu hinterfragen. Ja, ein Schein trügt oft.
Das Wasser wirft jetzt vereinzelt Wellen, die Brücke liegt verlassen im fahlen Licht der untergehenden Sonne.
An diesem Abend sitzen sich die Menschen im Restaurant
schweigend gegenüber, wie immer. Doch die Stille ist unendlich laut, begräbt
die Personen unter sich. Sie können nicht ausdrücken, was sie denken, was sie
meinen, was sie fühlen. Gefühle bleiben ungefühlt.
Einige blicken sehnsüchtig auf die Tasten des Klaviers, die schwarz und weiß im fahlen Licht der Lampen liegen. Sie bewegen sich nicht, der Hocker bleibt heute unbesetzt.
Stille.
Einige blicken sehnsüchtig auf die Tasten des Klaviers, die schwarz und weiß im fahlen Licht der Lampen liegen. Sie bewegen sich nicht, der Hocker bleibt heute unbesetzt.
Stille.
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