"Du hast es aber gut!", sagte der ältere Mann in der Bahn zum Jungen neben ihm. "Du gehst noch zur Schule; solltest die Zeit genießen, in der du unbeschwert keine Entscheidungen treffen musst."
"Ja", entgegnete dieser leise. Während er angestrengt versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die beim Gedanken an die Schule in ihm aufkamen. Und er dachte an die blauen Flecke auf seinem Körper, die er so emsig versteckte, und die Jungs aus seiner Klasse, die ihn heute in der Umkleidekabine eingeschlossen hatten. An Lehrer, die ihn für die Vergehen der anderen bestraften, und an seine Eltern, die ihn nach schlechten Noten ins Zimmer sperrten.
Als er die Tränen auf seiner Wange spürte, drehte er den Kopf zum Fenster und wünschte sich, erwachsen zu sein.
"Du hast es aber gut!", sagte das junge Mädchen zu ihrer Mutter. "Musst nicht um acht im Bett sein und niemals Hausaufgaben machen."
"Das stimmt", antwortete sie mit zaghaftem Lächeln. Während sie daran dachte, dass ihr Mann abends wohl wieder betrunken nach Hause kommen würde, sie schlagen und sie seinen Gestank und sein Gebrüll ertragen musste. Und sie erinnerte sich an den Brief vom Gericht auf ihrem Schreibtisch, der sie aufforderte, die offenen Rechnungen zu zahlen. An ihre Mutter, die das Krankenhaus wahrscheinlich nie mehr verlassen würde, obwohl doch noch so viele Fragen offen und so viele Worte unausgesprochen waren.
Als sie Tränen in ihren Augen spürte, wendete sie sich den Kochtöpfen vor ihr zu und wünschte sich, wieder ein kleines Mädchen zu sein.
"Du hast es aber gut!", sagte die Jugendliche zu ihrer Klassenkameradin. "Du siehst gut aus, alle Jungs stehen auf dich und in der Schule bist du auch noch toll."
Die Angesprochene nickte schweigend. Doch in Gedanken konnte sie dieser Aussage nicht zustimmen, weil sie an ihren Freund denken musste; daran, wie er sie aufs Bett gedrückt hatte, wie er gesagt hatte, sie wäre auch nicht geiler als andere und wie er meinte, sie wolle das doch auch; niemand würde ihr glauben, niemand würde ihr zuhören. Und daran, wie sie abends im Bett lag, die Packung Schlaftabletten neben ihr und sie die kleinen Pillen nur nicht nahm, weil sonst niemand mehr ihr Kaninchen füttern würde.
Mit Tränen im Gesicht verließ sie das Klassenzimmer, schloss sich auf der Toilette ein und wünschte sich, ganz normal zu sein.
"Du hast es aber gut!", sagte der Jugendliche zu einem seiner Mitspieler aus dem Fußballverein. "Deine Eltern sind nicht so streng, lassen dich abends lange ausgehen und sind nicht sauer, wenn du eine schlechte Note hast."
"Ja, vielleicht", antwortete er, ohne aufzuschauen. Er dachte an die unendlich blauen Augen seines Gegenübers und daran, dass diese Schwärmerei niemals echte Liebe werden würde. An die intoleranten Sprüche seiner Freunde und Familie über "schwule Säue" und daran, dass niemand von diesen jemals verstehen könnte, wie sehr er sich davon angesprochen fühlte. An den Wunsch seiner Eltern nach Enkelkindern und an seine Zukunft als Ehemann einer Frau.
Die Tränen blieben ihm im Hals stecken und voller Wut trat er gegen den Ball, der in sauberem Bogen ins Toreck flog.
"Ja, ich hab es gut!", schrie er in Richtung des dunklen Himmels. "Aber du auch, verdammt!"
Donnerstag, 15. November 2012
Mittwoch, 14. November 2012
Und nach all den Jahren.
Jahrelang leben wir aneinander vorbei und wissen nicht, wie wir miteinander umgehen sollen.
Wir beginnen zaghaft, uns wieder zu grüßen. Verleugnen nicht mehr, dass wir uns kennen. Dass wir uns beide auch über die zurückliegenden Zeiten bewusst sind.
Trotzdem steht noch einiges zwischen uns.
Unausgesprochene Worte. Ungelöste Probleme. Und unerklärte Entscheidungen.
Schuldgefühle auf beiden Seiten und die Unsicherheit, ob der Wunsch nach Kontakt überhaupt auf Gegenseitigkeit beruht.
Bis jemand allen Mut zusammennimmt, die Initiative ergreift. Sich Schuld eingesteht und den Wunsch äußert, doch etwas zu ändern.
Und plötzlich fällt auf: Die Jahre, die wir damit verbracht haben, nebeneinanderher zu leben, haben wir gleichermaßen damit verbracht, etwas zu vermissen.
War es deshalb verschwendete Zeit, weil wir schon früher hätten aufeinander zukommen können? Weil wir, in Gedanken vertieft, die Chance nicht ergreifen konnten?
Nein! Wir beide haben uns unabhängig voneinander weiterentwickelt; haben neue Ansichten gewonnen, neue Freunde kennengelernt und ganz anderes erlebt.
All das können wir jetzt einbringen, wenn wir uns zaghaft weiter annähern. Wenn wir Worte austauschen und merken: Die Person, die früher so vertraut war, ist noch dieselbe. Sie hat sich nur weiterentwickelt. Genau wie ich.
Und aus scheuen Anfängen gewinnen wir plötzlich Sicherheit und kein Jahr steht mehr zwischen uns.
Wir beginnen zaghaft, uns wieder zu grüßen. Verleugnen nicht mehr, dass wir uns kennen. Dass wir uns beide auch über die zurückliegenden Zeiten bewusst sind.
Trotzdem steht noch einiges zwischen uns.
Unausgesprochene Worte. Ungelöste Probleme. Und unerklärte Entscheidungen.
Schuldgefühle auf beiden Seiten und die Unsicherheit, ob der Wunsch nach Kontakt überhaupt auf Gegenseitigkeit beruht.
Bis jemand allen Mut zusammennimmt, die Initiative ergreift. Sich Schuld eingesteht und den Wunsch äußert, doch etwas zu ändern.
Und plötzlich fällt auf: Die Jahre, die wir damit verbracht haben, nebeneinanderher zu leben, haben wir gleichermaßen damit verbracht, etwas zu vermissen.
War es deshalb verschwendete Zeit, weil wir schon früher hätten aufeinander zukommen können? Weil wir, in Gedanken vertieft, die Chance nicht ergreifen konnten?
Nein! Wir beide haben uns unabhängig voneinander weiterentwickelt; haben neue Ansichten gewonnen, neue Freunde kennengelernt und ganz anderes erlebt.
All das können wir jetzt einbringen, wenn wir uns zaghaft weiter annähern. Wenn wir Worte austauschen und merken: Die Person, die früher so vertraut war, ist noch dieselbe. Sie hat sich nur weiterentwickelt. Genau wie ich.
Und aus scheuen Anfängen gewinnen wir plötzlich Sicherheit und kein Jahr steht mehr zwischen uns.
Dienstag, 13. November 2012
Wie Romeo und Julia, Tarzan und Jane.
Deine Haare in meinem Gesicht. Deine Hände auf meiner Haut. Dein Mund auf meinen Lippen.
Unsere Finger halten einander. Unsere Blicken begegnen sich. Unser Lächeln ist dasselbe.
Es könnte so schön sein. Es könnte so viel geben und so viel entstehen lassen.
Aber es geht nicht und es darf nicht gehen.
So viel steht zwischen uns.
Wie kann sich ein Mensch erlauben, die Gefühle anderer Leute zu beurteilen?
Wie kann sich jemand als Richter auftun und Liebe verbieten? Wenn sie doch eh nicht einzuschränken ist.
Selbst wenn ich gehorchen wollte; es geht nicht.
Es geht nicht. Ich liebe dich.
Wie sollte ich solche Euphorie runterschlucken, niemandem zeigen und jahrelang verbergen?
Wie sollte ich immer wieder unsere Freundschaft betonen, wenn wir beide genau wissen, dass es unsere Gefühle nicht beschreibt?
Und vor allem: Warum sollte ich es tun?
Ich stehe zu meinen Gefühlen und ich stehe zu dir.
Was ist das für eine Welt, in der Versteckspiele zielführender sind als Liebe füreinander?
Wo alle immer für mehr Liebe plädieren und dann doch Einschränkungen geben, wer liebenswert ist und wer nicht.
Also verstecken wir uns weiter, vermissen einander und überleben mit der Hoffnung, uns nicht beeinflussen zu lassen.
Weil niemand es versteht.
"Why can't they understand the way we feel?
They just don't trust what they can't explain
I know we're different but deep inside us
We're not that different at all"
[Phil Collins]
Unsere Finger halten einander. Unsere Blicken begegnen sich. Unser Lächeln ist dasselbe.
Es könnte so schön sein. Es könnte so viel geben und so viel entstehen lassen.
Aber es geht nicht und es darf nicht gehen.
So viel steht zwischen uns.
Wie kann sich ein Mensch erlauben, die Gefühle anderer Leute zu beurteilen?
Wie kann sich jemand als Richter auftun und Liebe verbieten? Wenn sie doch eh nicht einzuschränken ist.
Selbst wenn ich gehorchen wollte; es geht nicht.
Es geht nicht. Ich liebe dich.
Wie sollte ich solche Euphorie runterschlucken, niemandem zeigen und jahrelang verbergen?
Wie sollte ich immer wieder unsere Freundschaft betonen, wenn wir beide genau wissen, dass es unsere Gefühle nicht beschreibt?
Und vor allem: Warum sollte ich es tun?
Ich stehe zu meinen Gefühlen und ich stehe zu dir.
Was ist das für eine Welt, in der Versteckspiele zielführender sind als Liebe füreinander?
Wo alle immer für mehr Liebe plädieren und dann doch Einschränkungen geben, wer liebenswert ist und wer nicht.
Also verstecken wir uns weiter, vermissen einander und überleben mit der Hoffnung, uns nicht beeinflussen zu lassen.
Weil niemand es versteht.
"Why can't they understand the way we feel?
They just don't trust what they can't explain
I know we're different but deep inside us
We're not that different at all"
[Phil Collins]
Mittwoch, 7. November 2012
Grenzen.
Ich gebe alles. Alles, was ich habe. Alles, was ich kann.
All das, was immer gereicht hat. Für alles.
Ich bin zufrieden mit mir und stolz auf mich, das durchzuziehen. Nicht aufzugeben. So stark zu sein.
Bis ich das Ergebnis sehe.
Bis mir gesagt wird: Es ist nicht gut, es reicht nicht, das geht alles besser.
Nichts ist es, nichts.
Aber es geht besser. Es muss besser gehen. Denn es ist nicht perfekt.
Alles gegeben zu haben, ist am Ende nicht genug.
Was soll ich denn tun? Wenn nichts mehr geht, weil alles schon war?
Ich stoße an die unsichtbaren Grenzen meiner Leistungsfähigkeit.
Weil ich zu schwach bin. Oder meine Erwartungen zu hoch.
Doch ich will sie nicht herabsetzen. Denn auch das wäre Zeichen von Schwäche. Aufgabe. Schlecht. Zu schlecht.
Niemand anders würde es so sehen. Weil niemand anders solche Erwartungen an mich hat.
Aber niemand anders ist mir auch so wichtig wie ich, weil ich keine Enttäuschung so fühle wie meine.
Dienstag, 6. November 2012
Inspiriert.
"Du bist eine Inspiration für mich.
Ich finde es toll, wie du (zumindest äußerlich) wieder auf die Beine gekommen bist und jetzt wirklich du bist. Menschen wie du geben mir Zuversicht."
Wie geil bist du denn?
Wie geil ist das denn?
Wie verdammt wundervoll. Und wie verdammt berührt ich davon bin.
So sehr, wie ich es dir gar nicht deutlich machen kann.
Und wie es auch gar nicht nötig ist.
Denn ich habe meinen Lohn in deinen unbeschreiblichen Worten und du deinen in der Inspiration gefunden.
Was für ein unausgesprochenes Einverständnis! Was für ein fantastisches!
Weil wir beide so wenig tun, um so viel zu geben.
Worte. Die so viel bewegen.
Wie ich früher Menschen begeistert angesehen habe, die mich und andere inspirierten.
Wie ich mir gedacht habe: Wie unbeschreiblich muss es sein, in dieser Art einen Menschen zu berühren. Wie unbeschreiblich, nur eine einzige Person durch Worte und Leben zu beeinflussen. Jemandem Mut zu machen. Jemanden nachdenken lassen.
Jemanden so, so, so ins Herz zu treffen.
Das allein kann Grund zu leben sein. Und ich danke dir dafür.
Ich finde es toll, wie du (zumindest äußerlich) wieder auf die Beine gekommen bist und jetzt wirklich du bist. Menschen wie du geben mir Zuversicht."
Wie geil bist du denn?
Wie geil ist das denn?
Wie verdammt wundervoll. Und wie verdammt berührt ich davon bin.
So sehr, wie ich es dir gar nicht deutlich machen kann.
Und wie es auch gar nicht nötig ist.
Denn ich habe meinen Lohn in deinen unbeschreiblichen Worten und du deinen in der Inspiration gefunden.
Was für ein unausgesprochenes Einverständnis! Was für ein fantastisches!
Weil wir beide so wenig tun, um so viel zu geben.
Worte. Die so viel bewegen.
Wie ich früher Menschen begeistert angesehen habe, die mich und andere inspirierten.
Wie ich mir gedacht habe: Wie unbeschreiblich muss es sein, in dieser Art einen Menschen zu berühren. Wie unbeschreiblich, nur eine einzige Person durch Worte und Leben zu beeinflussen. Jemandem Mut zu machen. Jemanden nachdenken lassen.
Jemanden so, so, so ins Herz zu treffen.
Das allein kann Grund zu leben sein. Und ich danke dir dafür.
Montag, 5. November 2012
Ein Bahnhof.
Im Bahnhofsgetümmel
bewegen sich alle in
ihre eigene Richtung
Laufen ohne nach links oder nach rechts zu
schauen,
weil sie ihr Ziel haben.
Feierabendvor-freude
Nachtschichtbeginn-ärger
Wiedersehens-glücksgefühl
Abschieds-angst
Für heute, für immer; nie mehr, morgen wieder
endloser Kreislauf
jeden Tag der-
selbe Weg
und ich streife durch die menge und
mein ziel ist es
unter menschen zu sein und trotzdem
ganz allein
weil sich eh
niemand kümmert
niemand kümmern
kann:
Das würde viel zu sehr von der ausgereiften Routine ablenken.
mit dem blick stur geradeaus sieht man nur grauen asphalt auf dem weg; die bunten blumen wachsen am straßenrand; die einzigen farbtupfer sind
Weggeworfener Müll!
bewegen sich alle in
ihre eigene Richtung
Laufen ohne nach links oder nach rechts zu
schauen,
weil sie ihr Ziel haben.
Feierabendvor-freude
Nachtschichtbeginn-ärger
Wiedersehens-glücksgefühl
Abschieds-angst
Für heute, für immer; nie mehr, morgen wieder
endloser Kreislauf
jeden Tag der-
selbe Weg
und ich streife durch die menge und
mein ziel ist es
unter menschen zu sein und trotzdem
ganz allein
weil sich eh
niemand kümmert
niemand kümmern
kann:
Das würde viel zu sehr von der ausgereiften Routine ablenken.
mit dem blick stur geradeaus sieht man nur grauen asphalt auf dem weg; die bunten blumen wachsen am straßenrand; die einzigen farbtupfer sind
Weggeworfener Müll!
Donnerstag, 1. November 2012
Regentropfenzauber.
Es wird dunkel und auf der Fensterscheibe sammeln sich die Regentropfen. Ich schaue hinaus und durch das Wasser verschwimmen die Lichter der Straßenlaternen.
Die Welt sieht traurig aus.
Denn die Reflektionen und Spiegelungen erinnern an einen Blick mit Tränen in den Augen. Auch dieser Schleier lässt Beleuchtungen und Helligkeit unklar werden.
Früher habe ich das Spiel der Lichter als magisch angesehen und mich über jede Träne gefreut, die es hervorgerufen hat.
Wie aus einer einzigen Lampe so viel neues, glitzerndes Licht entstehen kann, wenn man es durch einen Wassertropfen betrachtet.
Wie aus Trauer so viel Schönes kommen kann, wenn man genau hinschaut.
Wie die Welt plötzlich ganz anders scheint.
Und sich Neues auftut.
So viel Magie.
Wenn man die Augen öffnet und sie nicht krampfhaft schließt, um die Tränen zu unterdrücken.
Die Welt sieht traurig aus.
Denn die Reflektionen und Spiegelungen erinnern an einen Blick mit Tränen in den Augen. Auch dieser Schleier lässt Beleuchtungen und Helligkeit unklar werden.
Früher habe ich das Spiel der Lichter als magisch angesehen und mich über jede Träne gefreut, die es hervorgerufen hat.
Wie aus einer einzigen Lampe so viel neues, glitzerndes Licht entstehen kann, wenn man es durch einen Wassertropfen betrachtet.
Wie aus Trauer so viel Schönes kommen kann, wenn man genau hinschaut.
Wie die Welt plötzlich ganz anders scheint.
Und sich Neues auftut.
So viel Magie.
Wenn man die Augen öffnet und sie nicht krampfhaft schließt, um die Tränen zu unterdrücken.
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