Mittwoch, 30. Januar 2013

Hörst du.

Ich sitze im Klassenzimmer und höre. Kann meine Ohren am Hören nicht hindern. Kann die Flut an Informationen nicht aufhalten, die in mich dringt. Kann nicht mehr differenzieren, nehme jedes Geräusch wahr.
Meine Sitznachbarin erzählt über Goethes Menschenbild. Analysiert das Gedicht. Räuspert sich.
In der vorderen Reihe blättert jemand um - vielleicht um nachzuprüfen, was gesagt wurde.
Links neben mir knackt eine Freundin mit den Fingern. Ich zucke zusammen, höre das Rascheln meiner Jacke.
Von draußen dringt Musik ins Klassenzimmer. Etwas aus den Charts, die Bauarbeiter hören offensichtlich Radio.
Und arbeiten dabei. Es kracht, es hämmert - Metall auf Metall, etwas Hartes auf Holz.
Die Plane vorm Fenster weht im Wind, das Knistern übertönt meine Lehrerin. In meinen Gedanken.
Jemand rückt seinen Stuhl zurecht.
Von irgendwo kommt das Klicken eines Kugelschreibers. Ob wohl jemand nervös ist?
Und schon spricht eine andere Schülerin. Auch über Menschenbilder. Nur das Geräusch kommt zu mir durch. Ich bin nicht in der Lage, den Inhalt aufzunehmen. Ich höre die Stimme. Als Hintergrund zu den Schritten der Personen, die an der geschlossenen Tür vorbeilaufen.

Jedes Geräusch zieht meine Wahrnehmung aufs Neue an sich. Kaum eine Abfolge an Tönen kann ich zu Ende verfolgen.
Immer dringt etwas Neues auf mich ein. Drängt sich auf. Drängt sich durch meinen Gehörgang in mich.

Es scheint still zu sein in der Klasse - die Frage der Deutsch-Lehrerin kann offensichtlich keiner beantworten.
Und ich halte mir die Ohren zu.
Es ist so laut.

1 Kommentar:

  1. Kenn' ich.
    Wenn man total in seiner eigenen Welt ist und nur die Geräusche am Rand des Wahrnehmens als richtig laut empfindet.
    Merkwürdige Situationen sind das.

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