Freitag, 21. Juni 2013

In der Grundschule.

Ich sitze in der Mensa der Grundschule und hake ab, wer da ist.
"Ich heiße Michael Jackson!", ruft einer. Ein anderer ist "Moby Dick".
Sie rangeln und schubsen sich, lachen und brüllen einander an. Eine der Lehrerinnen fordert die Kinder auf, sich ruhig zu verhalten. Ich grinse einen Jungen an, der einen anderen am Arm festhält. Es sieht so aus, als würden sie tanzen. Keiner verhält sich ruhig.
Und ich hake weiter ab.
"Niklas aus der 2a"
"Katharina aus der 1b"
"Ey, Tommi, du bist dran!"
"Ähm.. Tom aus der 1c"
Alle beugen sich zu mir und versuchen, ihre Namen auf der Liste zu finden. Manche zeigen nur darauf, ohne etwas zu sagen.
"Jana?", frage ich nach. "Oder Sarah?"

Nach einer Viertelstunde Ansturm wird es ruhiger. Hinter jeden Namen habe ich mein Häkchen gesetzt. All die Moby Dicks und Michael Jacksons sitzen jetzt an ihren Tischen und essen.
Nur wenige bleiben länger als fünf Minuten, ehe sie aufstehen und die Reste von ihren Tellern beschämt in den Mülleimer schütten. Oder nach einem weiteren Schnitzel fragen. Und sich dann ihre Portion Nachtisch holen.
Heute gibt es Pudding. Und Lollis.
Ich werde aus der Position des Beobachters geholt und darum gebeten, die verschweißte Plastikfolie zu öffnen. Klar mache ich das. Gerne. Ja, Nero helfe ich auch. Aber Sabrina war vorher da.

Die Kinder werden jetzt mutiger, sprechen mich an. Den fremden großen Jungen, der in ihrer Mensa sitzt.
"Wer ist dein Bruder?" Hä? Meine Brüder werdet ihr nicht kennen.
"Wie heißt du?" Liam. "Mein Bruder hat auch einen Freund, der Liam heißt." Schön.
"Wie alt bist du?" 18. "Meine Nachbarin wird jetzt bald ... mhh.. 17!" Oh ok, ganz schön alt.
"Kannst du mir ein Spiel rausholen?" Ja, welches denn? "Spielst du mit mir Mikado?" Klar, kann ich machen.

Also spiele ich jetzt Mikado. Und nebenbei öffne ich weiter Lollis. Und beantworte Scherzfragen. Ron und Sophie lachen sich schlapp, wenn ich die Antworten nicht weiß.
"Möchtest du auch einen Lolli?" Möchte ich nicht, aber ich sage trotzdem ja. Sehr nett. Danke.
"Haha, guck mal! Ich gewinne!" Ja, sieht wohl so aus.
Am Ende gewinne ich das Mikado-Spiel. Aber nur ganz knapp. Das ist Katharina eh nicht mehr so wichtig; sie zeigt mir jetzt ein Bild, das sie gemalt hat. Sehr schön ist es. Gefällt mir sehr gut.

Pia und Karolina erzählen mir von ihren letzten Tagen in der Schule. Sie sind jetzt in der vierten Klasse, nach den Ferien werden sie die Schule wechseln. Oh ja, sie freuen sich darauf, endlich groß zu sein.
Kian kommt nach den Ferien in die zweite Klasse. Auch er fühlt sich groß. Und stark.
"Ich geh jetzt nach Hause!", rufen zwei Jungen und rennen hinaus.
Andere müssen noch warten, bis sie abgeholt werden. Oder gehen hinüber zur Hausaufgabenbetreuung.
Die Mutter meiner Mikado-Spielpartnerin kommt und nickt mir zu. Katharina läuft zu ihr und geht mit ihr hinaus.
"Tschüss!", ruft sie, als sie schon aus der Tür ist.

Tschüss, denke ich. Und schaue dem Mädchen mit dem großen Ranzen hinterher.
Ich hoffe, du wirst ein gutes Leben haben. Ich hoffe es sehr.
Und ein klein wenig hoffe ich auch, dass jemand für mich gehofft hat, als ich so alt war wie du.

4 Kommentare:

  1. solche situationen kenne ich von meinem praktikum in der grundschule nur zu gut :)
    warum bist du da?

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    1. Meine Tante arbeitet da ehrenamtlich und manchmal, wenn ich nichts Anderes zu tun habe, komme ich mit.

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  2. Schöner Text, da kommen mir fast meine Grundschulerinnerungen wieder hoch :)

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